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Radrennen in NamibiaAb in die Wüste

Der „Desert Dash“ in Namibia ist wohl das härteste Eintagesrennen für Mountainbiker. Es fehlt die Förderung eigener Talente.

Nur die mental Stärksten sind den Bedingungen gewachsen: Teilnehmer beim „Desert Dash“ Foto: Maxi Hupp

Swakopmund taz | Leander Borg trägt kurze Hosen, hat sich aber einen dicken Pullover und Schal umgeschlungen. Es zieht in Swakopmund. Der kalte Nebel vom Atlantik liegt selbst jetzt – im Sommer der Südhalbkugel – wie ein Fluch über dem bekanntesten Küstenort Namibias.

Dennoch platzt Swakopmund an diesem Tag aus allen Nähten. Der „Desert Dash“ ist da. Das wohl härteste Mountainbike-Eintagesrennen der Welt findet tatsächlich in Namibia statt. Wie ein Magnet zieht es die Extremsportler auf dem Rad an jedem ersten Dezemberwochenende des Jahres für ein Wochenende in dieses einsame Land. Die ehemalige deutsche Kolonie im Südwesten Afrikas ist etwa doppelt so groß wie Deutschland, wird aber von nur gut 2 Millionen Menschen bewohnt.

Leander Borg ist Cheforganisator dieses Martyriums für Radfahrer. Er hat das Rennen mit seinem Kumpel, der namibischen Radsportlegende Mannie Heymans, übernommen, als der ursprüngliche Gründer keine Lust mehr hatte. 2015 war das, nachdem der „Dash“ zehn Jahre auf dem Buckel hatte.

Angefangen hatte alles 2005, als eine kleine Gruppe Radsportverrückter erstmals das Abenteuer versuchte, die gut 371 Kilometer von der Hauptstadt Windhoek zur Atlantikküste in einem Stück zurückzulegen. Die Distanz des Rennens ist schon enorm. Die speziellen Bedingungen machen es beinahe zu einem Wahnsinn: Bei gleißender Hitze mit Temperaturen um 40 Grad geht’s nachmittags los. Ungeschützt vor der Sonne, radeln die Fahrer mitten hinein in die Wüste.

Über schwierig zu fahrende Geröllstrecken wird das baumlose Khomas­gebirge überquert, bei Einbruch der Nacht beginnt der Kampf der Radler gegen die Tücken der Strecke, Müdigkeit und einsetzende Kälte. Abwechselnd Geröll und tiefer Sand erfordern neben ausgezeichneter Kondition auch ständige Konzentration. Jeder Strauch sieht im dünnen Schweinwerferlicht aus wie ein Stein, tiefe Löcher und Abgründe sind meist erst im letzten Moment zu erkennen. Der böige Südwestwind von der Küste bläst den Fahrern während der kompletten Tour ins Gesicht. Nur die mental Stärksten sind diesen komplexen Bedingungen gewachsen.

Beste Bedingungen für naturbewusste Mountainbiker

Der Stärkste ist auch 2018 – wie in den drei Jahren zuvor – der Schweizer Radmarathonspezialist Konny Looser. Der 29-jährige Vollprofi absolviert die Strecke in 14 Stunden und 22 Minuten und fällt Organisator Borg um kurz vor halb sechs am Morgen in Swakopmund erschöpft und glücklich in die Arme. Zu diesem Zeitpunkt sind die meisten der rund 1.100 Starter entweder irgendwo im zweiten Teil der Strecke unterwegs oder schon ausgeschieden. Beim Desert Dash erreichen allenfalls zwei Drittel aller Starter das Ziel.

Der Dash zeigt den Leuten in Namibia, dass sie etwas Großes auf die Beine stellen können

Der „Dash“ ist für Namibia viel mehr als nur ein Radrennen. Er ist ein Symbol: für die Freiheit des Landes und das Bewusstsein der Leute wie Leander Borg, etwas Großes auf die Beine stellen zu können. Die Vergangenheit von Apartheid und Siedlerkolonialismus beeinflusst noch heute stark das Leben der Namibier. 1884 wurde das heutige Namibia deutsches „Schutzgebiet“ und blieb bis zum Ende des Ersten Weltkriegs deutsche Kolonie. Danach stand Namibia unter dem Mandat von Südafrika. Erst 1971 erklärte der Internationale Gerichtshof die Verwaltung durch Südafrika für illegal. Im Jahre 1989 fanden erstmals freie Wahlen statt.

Die Wirtschaft des Landes hängt nach wie vor stark von Südafrika ab. Zwar steckt das Land voller Bodenschätze, doch die Pfründen sind meist seit Langem an Magnaten aus China, Südafrika oder Australien fortgegeben. Eigene Kraft entwickelt das Land lediglich durch extensive Landwirtschaft, wobei nach wie vor eine Arbeitslosenquote von fast 30 Prozent drückt. Die Regierung gilt aber als modern und relativ wenig korrumpiert.

Gefördert werden soll vor allem die schwarze Bevölkerung, allerdings läuft die Umverteilung landwirtschaftlicher Flächen nur schleppend. Basierend auf früheren Landenteignungen und Grenzziehungen, gehört nach wie vor mehr als die Hälfte der Flächen weißen Farmern. Vor einigen Jahren hat eine Neuverteilung auf freiwilliger Basis begonnen. Dennoch wird die extrem ungleiche Verteilung von Vermögen auch in der nächsten Zeit Namibias großes Thema bleiben. Umso wichtiger wird die Generierung neuer Einnahmequellen.

Hier spielt der Tourismus eine gewaltige Rolle. Die weitgehend unberührte Natur des Landes macht es attraktiv. Rund 17 Prozent der Landfläche stehen unter staatlichem Naturschutz. Seit Beginn der 90er Jahre kommen Jahr für Jahr fast 10 Prozent mehr Urlauber, mittlerweile arbeiten fast 25 Prozent der Bevölkerung Namibias im Tourismus. Fast 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts trägt der Tourismus bei.

Einen regelrechten Boom erfuhr in jüngster Vergangenheit der Radsport. „Mountainbiken ist bei uns regelrecht explodiert“, sagt Leander Borg, der diesem Trend als Besitzer einer Reiseveranstaler-Agentur natürlich Rechnung trägt. Mountainbiketouren in allen Regionen des Landes haben enorme Bedeutung gewonnen, die unberührte Landschaft Namibias bietet traumhafte Bedingungen für naturbewusste Mountainbiker vor allem aus Europa.

Daher war Borg und Heymans, der in Windhoek ein Radsportgeschäft betreibt, 2015 klar: Der „Dash“ darf nicht sterben. Sie übernahmen das Rennen, richteten im Dezember eine Notauflage aus und professionalisierten die Veranstaltung anschließend. In der nationalen Großbank Nedbank konnte ein Hauptsponsor gewonnen werden, im Laufe der Jahre stiegen mehrere Co-Sponsoren ein, die Startgebühren stiegen für Teilnehmer von durchschnittlich 80 Euro auf rund das Doppelte. Das Rennen wuchs, die Zahl der Teilnehmer kletterte von 700 im Jahr 2016 auf fast 1.100 in der diesjährigen Auflage. Eine weitere Vergrößerung lassen die natürlichen Gegebenheiten des Landes nicht zu.

25.000 Euro Preisgeld

So ist der „Dash“ zwar in­fra­struk­turell an seine Obergrenze geraten, seine Wertigkeit aber steigt weiter. Die Startplätze für die 2018er Auflage waren bei Öffnung der Anmeldefrist im Juni innerhalb von Minuten vergriffen. Und Jahr für Jahr kommen mehr Zuschauer, Medienvertreter und Fahrer-Angehörige ins Land. Im Zielort Swakopmund sind am ersten Dezemberwochenende – eigentlich ist das in Namibia Nebensaison – sämtliche Übernachtungsmöglichkeiten ausgebucht. Selbst für einen Platz in einem der Restaurants des 30.000-Einwohner-Ortes muss man sich rechtzeitig bemühen.

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„Der Dash bringt mittlerweile rund 2 Millionen Euro ins Land“, sagt Borg. Er hat das mal durchrechnen lassen und hofft, mit diesen Zahlen künftig mehr Unterstützung durch örtliche Behörden sowie touristische Betriebe zu bekommen. „Bisher macht hier jedes Hotel, jede Pension, jedes Restaurant und jeder Mietwagenvermieter sein eigenes Ding. Schlösse man sich hier zu einem Interessenverband zusammen, könnte man deutlich mehr in Richtung Werbung und Marketing unternehmen“, ­umreißt der 46-Jährige seine Vision.

Doch auch in der gegenwärtigen Form hat der „Dash“ jede Menge Schwung. Insgesamt schütteten Borg und seine Leute 2018 umgerechnet 25.000 Euro Preisgeld an die Sieger aus. Vom Erlös des Rennens wird jedes Jahr ein beträchtlicher Teil für einen guten Zweck zur Verfügung gestellt. Dieses Jahr spendeten die Veranstalter insgesamt etwa 18.000 Euro an drei Adressaten: Es profitierten ein BMX-Projekt in einer Township sowie ein Strandsäuberungs­projekt in Swakopmund.

Den Löwenanteil erhielt aber wie immer der namibische Radsportverband. Dessen Präsident Rolf Adrian übernahm freudestrahlend Borgs Scheck. Er sagte: „Dieses Geld ist eine unserer größten jährlichen Einnahmen. Wir werden es benutzen, um ­zumindest punktuell so etwas wie ein Talentförderprogramm umzusetzen.“ Vor allem an der Förderung von Talenten aus der armen Bevölkerung hapert es in Namibia. In den Townships leben jede Menge begabte Radsportler, doch kaum jemand kann die Mittel für ein Rennrad oder Mountainbike aufbringen. „Den ein oder anderen jungen Fahrer zu unterstützen ist unser Ziel“, sagt Adrian. Dass Namibia zumindest auf der afrikanischen Radsportlandkarte bereits auf sich aufmerksam gemacht hat, belegt die Tatsache, dass 2019 hier die Afrikanischen Meisterschaften im Mountainbiken ausgerichtet werden.

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