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Kolumne Aufgeschreckte CouchpotatoesFahr mit ans Meer!

Edith Kresta
Kolumne
von Edith Kresta

Usedom, bürgerlich, gediegen, ganz die Tradition des ehemaligen Kaiserbades. Inzwischen gibt es auch Industriedesign mit maritimem Einschlag.

Usedomer Winterbadespektakel Foto: Imago/leo

A m schönsten ist die Ostsee im Herbst und Winter. Wenn Himmel und Meer in einheitlichem grau ineinander übergehen, die Möwen trotz alledem erstaunlich munter weiter fischen, unschöne Plattenbauten im Nebel geheimnisvolle Silhouetten werfen und viele Ramsch- und Nippesläden zumindest vor und nach Weihnachten geschlossen bleiben. Beispielsweise auf Usedom mit seinen Kaiserbädern. Hier haben die Grundstückspreise fast schon Sylter Niveau, die AfD beispiellose Wahlerfolge und der Sommer trotzdem Touristenrekorde.

Doch jetzt im Winter sind die Strände fast leer, auch wenn urplötzlich ein Nackter trotz steifer Brise und Minustemperaturen über den Strand läuft und sich mutig in die zahme Gischt wirft. Winterbaden hat hier Tradition. Hartgesottene schwören darauf und gehen jeden Morgen in die Ostsee. Andere nach dem Saunagang in irgendeinem der angesagten Wellness-Hotels direkt am Strand. Wellness ist das Zauberwort, der Sehnsuchtsort um Gäste für die Wintersaison am Meer zu erwärmen.

Beispielsweise im Strandhotel Ostseeblick in Heringsdorf. Eine Wellnessoase. Bürgerlich, gediegen, anspruchsvoll, ganz in der Tradition des ehemaligen Kaiserbades. Nach der Wende aufwändig restauriert mit Gourmetrestaurant, Wein- und Wodkaverkostung. Wie damals, als Kaiser Wilhelm II. zum Tee bei Frau Konsulin Staudt weilte, sich in Heringsdorf die Großbourgeoisie mit prächtigen Bauten gegenseitig übertraf und sich der Geldadel zum Nachmittagstee am Kamin traf.

Sybille Wehrmann, die Geschäftsführerin, managt nun neben dem gediegen-bürgerlichen Ostseeblick auch das gegenüberliegende Hotel Heimathafen. Ein innovatives Boutiquehotel in zweiter Strandreihe. Modernes Industriedesign mit maritimen Einschlag. 30 Zimmer wie Kojen und Kabinen eines Schiffes gestaltet mit Möbeln aus Stahl und Holz, knalligen Sesseln im Retrolook und Bullaugen in den Badtüren. Die Zimmer klein, aber fein. Das Hotel ein Novum im traditonsreichen, klassischen Heringsdorf.

Und natürlich gehören Heimat und Regionalität , Individualität und Nachhaltigkeit zum Konzept. „Der Anker für alle Morgen-hungrigen heißt Boje06 und bietet mit Sandornnektar, Räucherfisch und Heringssalat Unverwechselbares von der Insel, zudem Alternativen für Veganer und Vegetarier und selbstverständlich Fair-Trade Kaffe“. Eben alles was das Großstadt-Herz so begehrt.

Ein ungewöhnliches Budgethotel. Trendig wie die neuste Frühstücksbar in Friedrichshain

Hier erwartet man eine junge, sportliche, dynamische, unkomplizierte, städtische Klientel. Der Heimathafen ist trendig wie die neuste Frühstücksbar in Friedrichshain, geschmackvoll, stylisch. Ein ungewöhnliches Budgethotel: Ostsee-Feeling im neuem Design und mit attraktiven Übernachtungspreisen.

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Edith Kresta
Redakteurin
Schwerpunkte: Reise und Interkulturelles. Alttazzlerin mit Gang durch die Institutionen als Nachrichtenredakteurin, Korrespondentin und Seitenverantwortliche. Politologin und Germanistin mit immer noch großer Lust am Reisen.
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1 Kommentar

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  • Zitat: „Hier haben die Grundstückspreise fast schon Sylter Niveau, die AfD beispiellose Wahlerfolge und der Sommer trotzdem Touristenrekorde.“

    So lange anspruchsvolle taz- Macher und dito taz-Leser im innovativen Boutiquehotel in zweiter Strandreihe, im Gourmetrestaurant, bei der Wein- oder Wodkaverkostung von pöbelnden AfD-Wählern genau so wenig belästigt werden, wie Kaiser Wilhelm II. und Frau Konsulin Staudt seinerzeit belästigt worden sind bei ihrem Nachmittagstee am Kamin, wird das mit den Sylter Preisen vermutlich so weiter gehen. Das mit den Wahlergebnissen leider auch. Aber man ist ja schließlich nicht zum Spaß da oben an der Ostsee. Man ist da, um seine wertvolle Arbeitskraft möglichst vollständig wiederherstellen zu lassen. Auf dass diese sich wieder sehen lassen kann auf einem hart umkämpften Arbeitsmarkt, auf dem es mehr Verkäufer gibt als Käufer. Da kann man sich den Stress einer unerfreulichen Debatte einfach nicht leisten.