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heute in hamburg„Für Roma alles andere als sicher“

Allegra Schneider, Fotografin und Regisseurin des Films. Sie recherchiert seit Jahren zur Situation abgeschobener Roma in Südosteuropa. Mehr Infos unter dokuplus.org.

Interview Lea Schweckendiek

taz: Frau Schneider, welche Geschichte erzählt Ihr Film?

Allegra Schneider: Der Film begleitet eine Roma-Familie, die Bremerhaven „freiwillig“ verlassen muss, um einer Abschiebung zu entgehen. Die Schulklasse des Kindes der Familie vermisst ihren verschwundenen Mitschüler. Sie schalten ihn per Videochat in den Unterricht zu. Später reisen die Lehrerin und der beste Freund des Jungen gemeinsam zu ihm. Der Film begleitet sie.

Wieso darf die Familie nicht bleiben?

Sie kommt aus Mazedonien, einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat. Dabei ist es dort alles andere als sicher für die Minderheit der Roma: Sie werden diskriminiert und leben ausgegrenzt, haben kaum Zugang zu Arbeit oder Bildung. Ihre Diskriminierungssituation ist komplex.

Welcher Unterschied besteht zwischen freiwilliger Ausreise und Abschiebung?

Eine Abschiebung ist wesentlich rabiater: Manchmal werden sogar Kinder in Handschellen abgeführt. Außerdem wird für die Abgeschobenen ein Einreiseverbot verhängt. All diese Repressalien umgeht man mit einer sogenannten freiwilligen Ausreise, die aber auch meist mit dem Zwang einhergeht, Deutschland zu verlassen.

Wie sind Sie auf die Geschichte gestoßen?

Schon vor dem Film habe ich mich mit der Diskriminierung der Roma auseinandergesetzt. Nach einer Veranstaltung kam die Lehrerin des Jungen auf mich zu und erzählte mir seine Geschichte. Dass daraus dieser Film und eine so intensive Begleitung entstehen würden, habe ich da nicht geahnt.

„Möglichst freiwillig“ (D 2018): Vorführung des Films und Diskussion, 20 Uhr, Kino Lichtmess, Gaußstraße 25

Wie haben Sie das Thema recherchiert?

Wir haben Interviews mit vielen Beteiligten geführt, mit Betroffenen natürlich, aber auch mit Behörden, Polizei und Militär. Der Film erzählt eine Geschichte von vielen – die Erlebnisse der Familie sind kein Einzelfall.

Sie sprechen bei dem Mittel der Abschiebung von „Pingpong“ -Migration. Warum?

Wenn wir das Konstrukt Abschiebungen betrachten, ist gedanklich für viele die Geschichte des Betroffenen mit der Abschiebung vorbei. Doch so ist es nicht. Es ist ein ewiges Ankommen, Weiterreisen, erneut Einreisen und wieder abgeschoben werden – im Pingpong.

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