berlinmusik: Frust & Pose
Die Postpunk-Renaissance der vergangenen Jahre ging hierzulande mit Bandnamen einher, die für sich sprachen – man denke an Gruppen wie Die Nerven, Karies, Pisse, Erregung öffentlicher Erregung und Human Abfall. Schon namenstechnisch fügen sich Kaufmann Frust nun nahtlos in diese Riege; wie so viele dieser Gruppen stammt die Band ursprünglich aus dem Stuttgarter Raum, ist nun aber teils auch in Berlin ansässig. Nach zwei EPs veröffentlichten sie kürzlich mit „Aus Wachs“ das Debüt auf der Langstrecke.
Das Album ist durchzogen von einer düsteren Ästhetik; atmosphärisch kommen sie wie Joy Division und The Cure rüber – oder, als deutschsprachige Referenz, Tobias Sieberts Klez.e. Auch Postrock und Neunziger-Emo klingen im Sound der Kaufmänner an, insgesamt sind die acht Songs bewusst zäh, tief melancholisch und machen es dem Hörer schwer. Die Texte sind introspektiv, nicht leicht verdaulich: „Zehn Jahre Rückenschmerzen / 100 Jahre Pestilenz / ein kaltes Feuer / das noch immer brennt“, dichten Kaufmann Frust etwa in „Alle Fehler“. Stellenweise mäandert das für meinen Geschmack etwas zu sehr vor sich hin – dennoch klingt das eigenständig und überzeugend.
Eine schöne Entdeckung sind die Outtakes und Reworks, die Tim Neuhaus gerade unter dem Titel „Pose III + IV“ veröffentlicht hat. Das Album versammelt allerlei Liegengebliebenes und Skizzenhaftes, das bei der Arbeit zu „Pose I + II“ entstanden ist.
Neuhaus hat als Schlagzeuger, Gitarrist und Songwriter fast mit der gesamten deutschen Indieszene – Die Höchste Eisenbahn, Gisbert zu Knyphausen – kollaboriert, man kennt ihn auch als Bandmitglied von Clueso. Wem genannte Bands zu sehr im Indiesaft schmoren, könnte an Neuhaus’ Solowerken Gefallen finden. Zwar sind auch hier klassische Singer-Songwriter-Stücke zu finden, aber interessanter sind die elegischen Pianostücke, die neoklassischen, fast ambientmäßigen Songs oder auch die Indietronica-Stücke, die sich dazwischen verstecken.
Extrem vielseitig, die 14 Songs – und ein guter Einstieg, um Neuhaus kennenzulernen. Jens UthoffKaufmann Frust: „Aus Wachs“ (My Favourite Chords), live: 13. 12. Berghain-Kantine | Tim Neuhaus: „Pose III + IV – Outtakes + Reworks“ (Grand Hotel van Cleef/The Orchard), live: 11. 12. Auster Club, 12. 12. Privatclub
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen