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Thüringens Kultusminister zu Digitalpakt„Das hat uns kalt erwischt“

Auch Thüringen ist nicht mit der Grundgesetzänderung einverstanden, sagt Kultusminister Holter – trotz der Notwendigkeit des Digitalpakts Schule.

Leidtragende des Polit-Hickhacks: die Schüler Foto: Imago/ Action Pictures
Anna Lehmann
Interview von Anna Lehmann

taz: Herr Holter, kippt der Digitalpakt?

Helmut Holter: Nein. Der Digitalpakt kippt nicht.

Was macht Sie so optimistisch?

Die Vereinbarung zum Digitalpakt zwischen den Bildungsministerien und der Bundesbildungsministerin ist ausgehandelt. Wir wollen uns auch wie geplant am Donnerstag treffen, gemeinsam beraten und einen Beschluss herbeiführen.

Was wollen Sie denn beschließen, Sie können den Digitalpakt ja doch nicht in Kraft setzen?

Ich werbe dafür, dass wir uns alle noch einmal hinter die Bund-Länder-Vereinbarung stellen, sozusagen eine klare Bestätigung dessen, was wir gemeinsam ausgehandelt haben. Die Kultusminister sind sich in diesem Punkt einig, die Vereinbarung zum Digitalpakt betrifft ja nicht die Grundgesetzänderung.

Im Interview: Helmut Holter

65 Jahre, ist seit August 2017 Kultusminister von Thüringen und seit Anfang des Jahres turnus­mäßiger Präsident der Kultusministerkonferenz. Er ist der erste KMK-Präsident, der Mitglied der Linkspartei ist.

Wie? Natürlich betrifft sie sie. Denn im Koalitionsvertrag ist ja eine Grundgesetzänderung die Voraussetzung dafür, dass der Digitalpakt in Kraft treten kann.

Da haben Sie recht, das ist die Voraussetzung. Aber die Änderung des Artikel 104c, der besagt, dass der Bund den Ländern zur Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen gewähren kann, ist unstrittig. Wir monieren den Artikel 104b, der vorschreibt, dass ab 2020 alle Programme des Bundes zur Hälfte durch die Länder mitfinanziert werden müssen. Genau deshalb werden die Länder am 14. Dezember den Vermittlungsausschuss anrufen.

Das bedeutet, der Digitalpakt tritt nicht am 1. Januar in Kraft.

Ja, der Start verschiebt sich. Und zwar zum zweiten Mal. Die Eckwerte standen schon 2017, aber dann verschob sich der Start infolge der Bundestagswahl. Jetzt ist es uns Anfang November gelungen, die Vereinbarung fertigzustellen und wir waren voller Optimismus, dass die Grundgesetzänderung durchgeht. Die Änderung des Artikels 104b, die in letzter Minute durch die Hintertür erfolgte, hat uns jetzt kalt erwischt. Ein fertig verhandelter Kompromiss wurde einseitig grundlegend verändert und damit der Zeitplan aus dem Lot gebracht.

Sie können die Bedenken der Ministerpräsidenten also nachvollziehen?

Es gibt ja mehrere Positionen: Die einen, dazu gehört Thüringen, stören sich an der Fünfzig-Fünfzig-Regelung. Die anderen, also im Wesentlichen die fünf Ministerpräsidenten, die in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung den Debattenbeitrag veröffentlicht haben, möchten nicht, dass der Bund kontrollierend und steuernd eingreift. Das sehen wir anders.

Also ganz unterschiedliche Positionen. Glauben Sie an eine schnelle Lösung?

Ich habe den Optimismus, dass zügig eine Lösung gefunden wird. Der Druck ist enorm. Der Bund muss sich auf die Länder zubewegen. Am Ende geht es um zeitgemäße Bildung und um die Zukunftschancen unserer Kinder.

Thüringen stünden rund 132 Millionen Euro aus dem Digitalpakt zu. Wie dringend brauchen die Schulen dieses Geld?

Wir brauchen es dringend! Die Schulen stehen in den Startlöchern. Wir haben für Thüringen ein Digitalkonzept ausgearbeitet und warten nur darauf, es umzusetzen. Jede Verzögerung beim Digitalpakt führt zu Verzögerungen bei der Digitalisierung der Schulen.

Wie könnte eine gütliche Lösung aussehen?

Morgen treffen sich die Ministerpräsidenten und beraten. Ich gehe davon aus, dass die Länder gemeinsam den Vermittlungsausschuss anrufen. Dort muss zügig und verantwortungsvoll eine Lösung gefunden werden.

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