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Friedensaktivist soll petzen

Zollfahnder wollen auf Informationen zugreifen, deren Beschaffung laut Amtsgericht Oldenburg strafbar ist

Der Hauptwirkstoff Pentobarbital wird auch in dem Giftcocktail verwendet, mit dem in den USA Menschen hingerichtet werden

Von Gernot Knödler

Der Friedensaktivist Hermann Theisen ist mit paradoxem Handeln des Staates konfrontiert. Die Hamburger Zollfahndung hat ihn um die Namen von Whistleblowern gebeten, während ihn das Amtsgericht Oldenburg für den Aufruf zum Whistleblowing bestrafen will. Dahinter steht in beiden Fällen die Staatsanwaltschaft Oldenburg.

Theisen hatte am 5. September vor den Toren der Firma Vet Pharma in Friesoythe bei Cloppenburg Flugblätter verteilt. Darin rief er die Mitarbeiter auf, die Öffentlichkeit über mögliche illegale Exporte ihres Unternehmens zu informieren. Hintergrund ist der Verdacht, Vet Pharma habe ohne Genehmigung ein Medikament zur Einschläferung von Hunden in die USA verschifft.

Der Export dieses Gifts aus Europa wird jedoch scharf überwacht. Damit will die EU verhindern, dass es auch zum Töten von Menschen verwendet wird. Denn der Hauptwirkstoff Pentobarbital wird auch in dem Giftcocktail verwendet, mit dem in den USA Menschen hingerichtet werden. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt deshalb gegen Vet Pharma wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz.

Unter Berufung auf dieses Gesetz und einen Verstoß gegen die Anti-Folterverordnung der EU rief Theisen die Mitarbeiter zum Whistleblowing auf – nicht ohne sie in einer „Rechtsbehelfsbelehrung“ gewarnt zu haben: „Wägen Sie für sich persönlich genau ab, ob Sie dem Aufruf tatsächlich folgen wollen, denn dies könnte zur Einleitung eines Strafverfahrens gemäß § 111 StGB und §§ 17 -19 UWG führen.“

Mit Verweis auf eben diese Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch und das Gesetz über den Unlauteren Wettbewerb beantragte die Staatsanwaltschaft Oldenburg die Geldstrafe für Theisen selbst. Die gleiche Staatsanwaltschaft beauftragte aber auch das Zollfahndungsamt Hamburg, zu dem möglicherweise illegalen Export zu ermitteln. Ein Zollfahnder wiederum wandte sich an Theisen mit der Bitte, die Namen von Whistleblowern zu nennen.

„Auf Umwegen“ habe der Zoll von dem Aufruf gehört. „Wir bitten Sie, sich mit uns in Verbindung zu setzen, sobald Ihnen eine Person bekannt ist, die möglicherweise sachdienliche Hinweise als Zeuge geben kann“, heißt es in einer E-Mail an Theisen.

Dieser zeigt sich überrascht über die Geldstrafe: „Ich dachte eher, dass die Staatsanwaltschaft das einstellen würde.“ Er hätte erwartet, dass sich die Zollfahnder mit den Staatsanwälten absprechen. Seltsam findet Theisen, dass der Bundesgesetzgeber den Ankauf von CDs mit illegal erworbenen Bankdaten durch die Finanzämter legalisiert habe, er jetzt aber für die Aufforderung zum Whistleblowing belangt werde.

Das Zollfahndungsamt Hamburg sah sich am Mittwoch nicht zu einer Stellungnahme in der Lage.

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