piwik no script img

Kommentar Wahlen OstukraineVertiefte Gräben

Kommentar von Barbara Oertel

Die Abstimmung in den abtrünnigen Volksrepubliken Donezk und Lugansk verheißt nichts Gutes. Ein Frieden rückt in immer weitere Ferne.

Mit Druck an die Urne getrieben: die Wähler der Ostukraine sollten die prorussische Führung „legitimieren“ Foto: ap

D er Abstimmung vom vergangenen Sonntag in den abtrünnigen Volksrepubliken Donezk und Lugansk der Ostukraine sei Dank: Nun sind sie also „legitimiert“ die beiden prorussischen Interimschefs Leonid Passetschnik und Denis Puschilin samt der ihnen hörigen Claqueure in den örtlichen Parlamenten.

Dabei waren die sogenannten Wahlen nichts anderes als eine Farce. Ganze Belegschaften von Betrieben wurden unter Druck gesetzt im Falle einer nicht opportunen Stimmabgabe ihren Arbeitsplatz zu verlieren. International ernstzunehmende Wahlbeobachter waren nicht vor Ort. Und die einzige wirkliche Auswahl hatten die WählerInnen an reich bestückten Lebensmittelständen – eine schon zu Sowjetzeiten gängige Methode, um sie zu motivieren, ihrer „staatsbürgerlichen Pflicht“ nachzukommen.

Doch trotz der gesammelten Absurditäten geht von diesen „Wahlen“ eine Botschaft aus, die für die Zukunft nichts Gutes erwarten lässt. Will heißen: Das Ziel, die Region zu befrieden, ist in weite Ferne gerückt. Denn Wahlen abzuhalten – mit dem Segen Moskaus versteht sich -, stellt eine eklatante Verletzung des Minsker Abkommens da. Diese Vereinbarung von 2015, bis dato die einzige Grundlage für Verhandlungen, macht eine all umfassende Waffenruhe zur Voraussetzung für eine Durchführung von Abstimmungen. Von einer Waffenruhe allerdings kann in der Realität keine Rede sein. Fast täglich werden Verstöße gemeldet – und zwar von beiden Seiten. Und fast täglich sterben Menschen in einem Konflikt, der bisher über 10.000 Opfer gefordert hat.

Deshalb dürfte wohl auch jetzt leider alles weitergehen wie bisher. Russland wird einen Konflikt befeuern, mit dem man angeblich nichts zu tun hat. Auch die Ankündigung der Ukraine, alle diejenigen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, die gewählt haben, dürfte nicht zur Entspannung der Lage beitragen. Zumal die Ankündigung absurd ist, wenn man bedenkt, wie sehr die Bevölkerung unter Druck gesetzt wurde, ihre Stimme abzugeben. Und Fakt ist außerdem: Laut einer Umfrage von diesem Jahr befürworten rund 70 Prozent der Befragten in Donezk, dass ihre Region wieder unter die Kontrolle der Kiewer Regierung zurückkehrt.

Alles in allem: keine guten Aussichten für Frieden in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...vielleicht sollte man die Menschen in der Ostukraine über die aktuellen Zustände in Rumänien informieren. Damit sie erkennen, wie 'toll' es ist, zur EU zu gehören ; )

  • na na.. Frau Oertel... waren sie `vor Ort´?? Die Situation der Menschen dort war ja erschreckend ! ..isoliert vom Westen und den Ukraine.. "Überleben" in harten Bedingungen.. mit `notgedrungener Solidarität´(?) .. Neue Fakten wurden geschaffen... neue Kinder wurden geboren.. der FRIEDEN wird dadurch nicht leichter !

  • Liest man z.B. die NZZ, dann ist die Darstellung dieser Wahlen deutlich weniger aggressiv. 70% Wahlbeteiligung. Von Zwang keine Rede. Aber vom Mord an Sachartschenko im August. Und dass hier die Ukraine auch zur "unmittelbaren Nachbarschaft" erklärt wird, ist keinGrund für die verzerrte Darstellung. Ist denn Kabul auch unmittelbaren Nachbarschaft? Oder Bamako?

    • @Rolf B.:

      JA ! .. der Astronaut Geertz durchbrach´den "provinziellen Heimatbegriff " mit



      " Welt als Heimat" .. wodurch alle Menschen auf Erden unmittelbar Nachbarn sind..



      ..durch provinzielles , geographisches "Heimat und Nachbarn " denken , mit Isolation und Feindbildern.. wird Frieden problematisch... seufz*



      "THINK GLOBAL , ACT LOCAL" ..

      • @vergessene Liebe:

        Stellen wir doch mal wegen ideologischer Verkapselung alles vom Kopf auf die Füße und fangen wir mit den Feindbildern an. Nur wer Feindbilder hat oder solche mangels redlicher Argumentation schaffen muss, braucht den bösen Feind und braucht militärische Aufrüstung. Das war immer schon so, wenn es um Expansion ging. Ich weiß nicht, was Sie unter globalem Denken verstehen. Ich vermute, dass sich das leider auch nur beschränkt auf westliches Hegemonialdenken, das sich dann so schön verkleiden lässt als aufgeklärtem Internationalismus ohne Sozialethos.

        Freuen wir uns also auf die von Merkel und Macron geforderte europäische Armee. Der Feind ist ja schon ausgemacht. Statt Reichswehr dann EU-Wehr.



        Ja, ja THINK GLOBAL.

        • @Rolf B.:

          hmm? .."westliches Hegemonialdenken" als auch "Expansionsdenken" .. ob `verkleidet´als "aufgeklärter Internationalismus ohne Sozialethos".. (so wie ich ihren Text verstehe) .. sind m.E. historische Begriffe regional geographischer `Provinzialität´.. auch deren Feindbilder sind im Grunde "OUT" !



          ..deshalb "out" weil unser kleiner "Heimatplanet" die "Grenzen des Wachstums" längst erreicht hat- wir leben alle bereits von Reserven- und siehe die ansteigenden Klimaprobleme die erst beginnen !



          Im Lichte des Mangels an gesunder Atemluft , frischem Trinkwasser etc ist die veraltete industrielle Güterproduktion , der Raubbau am Wald , die Überfischung und Vergiftung der Meere.. der übertriebene Konsum der Menschen das neue "Feindbild"..



          Ja ja.. ich gebe ihnen Recht ! ..die gefährliche Expansion der NATO gen Osten- so ganz im Sinne überholter politischer Doktrinen von Expansion- ,



          mit erneuertem Feindbild.. popularisiert den antiquierten Geist hegemonialen Denkens auf allen Seiten! ..eine art Teufelskreis ?



          .. bleibts´so zu Hoffen, das die seltsame historische Logik provinziellen Denkens sowas wie ne´"globale Vernunftskultur" erlaubt..oder inspiriert...