: Grün ins Alter?
Bei der privaten Vorsorge sollte man genau hinschauen. Die Werbebotschaften vieler Anbieter nachhaltiger Rentenprodukte halten dem Realitäts-Check nicht stand
Von Ansgar Warner
Private Altersvorsorge, das heißt in der Regel: man steckt mit oder ohne staatliche Förderung Geld in fondsgebundene Finanzprodukte, also ein Bündel von Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen. Doch damit beginnen die Probleme. „Divers“ heißt in diesem Fall nämlich meist: man unterstützt eine explosive Mischung aus Akteuren, die sowohl klimaschädliche, sozial problematische wie auch konfliktfördernde Aktivitäten entfalten.
Gerade erst legte die NGO Facing Finance den Abschlussbericht ihres Projektes „FaireRente vor“ – in den letzten drei Jahren waren 838 in Deutschland zugelassene Fonds untersucht worden, die bei Riesterprodukten, vermögenswirksamen Leistungen und sonstigen Fondssparplänen zur Anwendung kommen. Die ernüchternde Bilanz: Wirklich unbelastete, nachhaltige Altersvorsorge-Angebote sind eher die Ausnahme.
Damit werden Arbeitnehmer wie auch Selbständige, die ihre Altersversorgung aufstocken müssen, weil die staatliche Rente nicht mehr reicht, zu einer absurden Form der Komplizenschaft gedrängt: sie finanzieren Dinge, die offiziell von der Politik eigentlich unerwünscht sind.
„Deutschland verpflichtet sich völkerrechtlich, Streubomben und Kinderarbeit zu verbieten, das Klima zu retten oder Waffenexporte in Kriegsgebiete zu untersagen, erlaubt aber nach wie vor steuerbegünstigte Investitionen in Unternehmen, die genau davon profitieren, was ein Skandal ist“, kritisiert Facing-Finance-Geschäftsführer Thomas Küchenmeister.
Doch wie heißt es so schön: Verbrechen macht sich nicht bezahlt. Vor allem die Investition in fossile Energien bedroht gleichzeitig die finanzielle Nachhaltigkeit solcher Anlageprodukte. Denn bei der absehbaren Regulierung im Rahmen der klimapolitischen Agenda ist mit kräftigen Wertverlusten zu rechnen. Man handelt sich also, in den Worten von Julia Dubslaff, Leiterin des Projektes Faire Rente, sogenannte „Stranded Assets“ ein. Also Anlagen, die irgendwann an Klippen der sich rasch verändernden Realität stranden.
Bis auf Weiteres sind nach wie vor keine parlamentarischen Mehrheiten für nachhaltige Mindeststandards für Altersvorsorgeprodukte und deren staatliche Förderung absehbar. Besonders absurd: Durch die vom Gesetzgeber noch zusätzlich reduzierte Informationspflicht für Riesterprodukte müssen die Anbieter den Kunden erst nach Vertragsabschluss informieren, ob sie soziale und ökologische Kriterien bei der Geldanlage beachten. Mit anderen Worten: der Anleger wird gezwungen, erst mal die Katze im Sack zu kaufen.
Mit Vorsicht zu genießen sind die Werbebotschaften vieler Anbieter, die ihre angebliche soziale oder ökologische Ausrichtung öffentlichkeitswirksam in den Vordergrund stellen. So nimmt der Volkswohl-Bund es zwar in den Bereichen der geächteten Waffen, der Menschen- und Arbeitsrechte sowie der Spekulation mit Nahrungsmitteln sehr genau, dagegen sind die Investitions-Richtlinien in Sektoren wie Umwelt, Klima oder Korruption sehr vage.
Andere Anbieter wie etwa Deka oder Union Investment sind zwar Mitglied in internationalen Initiativen wie dem UN Global Compact oder gehören zu den Unterzeichnern der UN-Prinzipien für verantwortliches Investieren. Doch das verpflichtet konkret zu gar nichts, denn die Prinzipien sind sehr allgemein formuliert und basieren auf Freiwilligkeit – niemand muss Sanktionen befürchten, wenn er gegen die Bekundungen verstößt.
Ein besonderes Problem ist auch die Komplexität vieler Angebote, die von den Anbietern selbst aufgelegte Fonds und von Dritten gemanagte Fonds kombinieren. Nicht immer gelten die hehren Richtlinien dann auch für die einbezogenen Fremdfonds, sodass man sich wiederum schnell eine problematische Mischung einhandelt.
Bei einem Anlage-Check der Verbraucherzentrale Bremen fielen auch aus solchen Gründen die meisten von zwei Dutzend überprüften Finanzprodukten wegen mangelnder Transparenz bei den Nachhaltigkeitsstandards durch. Nur zwei Anbieter erhielten Lob für „umfangreiche ethisch-ökologische Kriterien“: die Familienfürsorge sowie Corcordia oeco.
Immerhin ist das Problem inzwischen auch auf europäischer Ebene erkannt worden – Mitte des Jahres wurde in Brüssel der EU-Aktionsplan zur nachhaltigen Finanzwirtschaft verkündet. Es soll zukünftig europaweit geltende Normen für ökonomische Nachhaltigkeit geben, eine verbesserte Offenlegung von Anlagekriterien, und nicht zuletzt soll der C02-Fußabdruck von Investments leicht verständlich dargestellt werden, um Alternativen einfacher vergleichen zu können.
Dafür gab es schon mal Lob der Umweltlobby. „Von Investoren einzufordern, Umwelt- und Klimarisiken umfassend zu berücksichtigen und dies transparent zu machen, liegt im Interesse aller Kunden“, kommentierte etwa Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance bei WWF Deutschland. Bemängelt wurde allerdings die Konzentration auf den Klimawandel: „Die Kommission sollte bald ihr Versprechen einlösen und neben klimarelevanten Faktoren weitere Umwelt-, Sozial- und Faktoren der Unternehmensführung (ESG) einbeziehen“, fordert etwa der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold.
Wie man auf breiter Front etwas verändern kann, zeigt eine aktuelle EU-Richtlinie, die speziell Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge betrifft und bis 2019 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Sie zwingt Pensionskassen und Anbieter betrieblicher Altersvorsorge zu mehr Unternehmensverantwortlichkeit und besserem Risikomanagement. Und eins der größten Risiken für Investitionen sind nun mal die Folgen des Klimawandels. Inwieweit der Gesetzgeber die Gelegenheit nutzt, konkrete Anforderungen zu formulieren, bleibt aber abzuwarten. Bis auf Weiteres bleibt die 100 Prozent grüne Rente Utopie – höchstens bei der privaten „dritten“ Säule neben staatlicher wie auch Betriebsrente gibt es bisher klare Wahlmöglichkeiten. Doch auch dort muss man ganz genau hinschauen.
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