Gestoppte Verlegung des Bahnhofs Altona: Sehenden Auges gegen die Wand
Eisenbahner und Hamburger Behörden wussten schon lange von den Planungsmängeln bei Verlegung des Altonaer Bahnhofs an den Diebsteich.
Akut wurde diese Kalamität durch eine Klage vor dem Hamburger Oberverwaltungsgericht: Das entsprach im August 2018 einem Eilantrag des Verkehrsclubs Deutschland und der Altonaer Bürgerinitiative Prellbock und stoppte das Bauvorhaben vorerst.
Ihre Entscheidung begründen die Richter mit der Fehlplanung bei den Autoreisezügen und schreiben von möglichen weiteren Mängeln. Ein endgültiges Urteil steht noch aus. Das Gericht hat es jedoch nicht vor 2019 in Aussicht gestellt.
So heißt es in der Unterlage der Wirtschaftsbehörde über den geplanten neuen Altonaer Fernbahnhof am Diebsteich: „Die Planfeststellungsunterlagen verhalten sich nicht zu dem Umstand, dass der Bahnhof Hamburg-Altona (neu) ohne Anlagen der Autoreisezugverladung geplant ist.“
Keine Autoreisezüge mehr
Die Wirtschaftsbehörde war in dem Planfeststellungsverfahren für das Projekt als Anhörungsbehörde eingesetzt: Sie sichtete die Bedenken betroffener Unternehmen, gab der Bahn die Möglichkeit zur Antwort, ordnete alles und sandte es im Rahmen einer umfassenden Stellungnahme an das Eisenbahnbundesamt (EBA). Das fungiert als Aufsichtsbehörde der Deutschen Bahn und muss die Pläne des Unternehmens genehmigen.
Die Hamburger Beamten empfahlen dem EBA der Unterlage zufolge, zu prüfen, ob die Autoreise-Anlagen am Altonaer Bahnhof formal stillgelegt werden müssten. Außerdem legen sie die Planung einer neuen Anlage nahe.
Denn ein weiterer Verkehr von Autoreisezügen sei in Altona nach der geplanten Verlegung des Fernbahnhofes nicht mehr möglich. Die Beamten betonen in dem Papier, „die Umsetzung des Vorhabens geht mit der Kappung der Gleisverbindung zur bestehenden Autoreisezugverladeeinrichtung einher“.
Alternative notwendig
Die Bahn hat sich zwar 2016 aus dem Geschäft mit den Autoreisezügen zurückgezogen, doch die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) nutzt die Station in Altona seitdem. Deshalb kann die Bahn die Verladeanlage nicht einfach stilllegen. Das ist aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht erlaubt. Die Bahn muss vielmehr bei einer Stilllegung eine Alternative schaffen.
Dem Papier zufolge stellte der Konzern dies zwar in Aussicht, ohne aber einen konkreten Vorschlag zu machen. Das EBA segnete das Projekt schließlich ohne weitere Planung ab: Im Planfeststellungsbeschluss der Behörde aus dem Winter 2017 wird der Bahn lediglich auferlegt, Ersatz für die Autoverladestation zu schaffen und die Pläne dem EBA vorzulegen. Und die fehlen bis heute.
Weshalb die Pläne für die neue Verladestation nicht längst gemacht wurden, ist unklar: Auf Anfragen wollten sich weder die Wirtschaftsbehörde noch das EBA zu dem Vorgang äußern. Egbert Meyer-Lovis, Bahn-Sprecher für den Regionalbereich Nord, teilte auf Nachfrage lediglich mit: „Die DB AG bespricht das weitere Verfahren mit den Partnern.“
Mindestens zwei Jahre Verspätung
In das Projekt ist neben der Bahn, der Stadt und dem EBA auch die Hamburger Sparkasse involviert. Die Bank hat mit einem Immobilieninvestor ein Joint Venture gegründet, das zwei Gewerbe-Hochhäuser am Diebsteich bauen will. Diese sollen das geplante neue Bahnhofsgebäude – eine große halle mit Park auf dem Dach – ergänzen. Durch den Planungsmangel verzögert sich der Bau voraussichtlich.
Die versäumte Planung hat auch Konsequenzen für das Neubaugebiet „Mitte Altona“ auf nicht mehr benötigten Gleisanlagen des Altonaer Bahnhofs: Das neue Viertel soll eine Schule, ein Einkaufszentrum und 3.500 Wohnungen umfassen. Im ersten Bauabschnitt steht bereits ein Großteil der Gebäude.
Es soll aber auch auf Land entstehen, über das bislang noch Fernzüge fahren. Wie lange genau die neuen Anwohner zukünftig mit Bahnlärm leben müssen, ist noch offen. Einer offiziellen Pressemitteilung der Bahn zufolge rechnet das Unternehmen mit mindestens zwei Jahren Verspätung für das Projekt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus