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Ende der Teilungen

Raj Patel und Jason W. Moore wollen die Ära der billigen Arbeit, Natur und Energie hinter sich lassen und setzen in ihrer Studie „Entwertung“ auf einen Optimismus des Willens

Von Annette Jensen

Für den Ökonomen Raj Patel und den Historiker Jason W. Moore steht fest: Im 21. Jahrhundert wird das Weltbild zerbrechen, das die vergangenen 500 Jahre dominiert hat. Sie nennen es „Kapitalozän“ und meinen damit weit mehr als eine auf permanente Profitsteigerung orientierte Wirtschaft.

Unsere gesamte Denk-, Wahrnehmungs- und Lebensweise ist geprägt von Dualismen, die weiße Männer im 16. Jahrhundert entwickelt haben. Die Teilung der Welt in Gesellschaft und Natur, Geist und Körper verdrängte das Sowohl-als-auch und ersetzte es durch Entweder-oder. Frauen und Indigene wurden der Natur zugerechnet. Dafür entwickelten Philosophen, Wissenschaftler und Staatsdiener Methoden des Messens, Katalogisierens und Kartierens, die die komplexe Realität in ein scheinbar objektives Abbild verwandelte.

So machten sie die Natur zum beherrsch- und kontrollierbaren Objekt. Das vielfältige Geflecht von Beziehungen wurde reduziert auf Bilder von isolierten Wesen und getrennten Lebensbereichen.

„Ohne die Macht, entscheiden zu können, wessen Leben zählt und wessen nicht, [wäre] es unmöglich gewesen, indigene Völker oder Angehörige konkurrierender Religionen und Staaten zu unterdrücken und sich ihr Wissen, ihre Ressourcen und ihre Arbeitskraft anzueignen“, schreiben die Autoren. Die dualistische Perspektive diente nicht nur als Rechtfertigung für Kolonialismus, sondern wirkt bis in die gegenwärtige Politik. So gelten Menschen- und Bürgerrechte zwar offiziell universell, doch zugleich sichern verbriefte Eigentumsrechte, nationale Grenzregime und der Hunger nach Ressourcen die gegenwärtige Verteilung ab.

Raj Patel, Jason W. Moore: „Entwertung“. Aus dem Englischen von Albrecht Schreiber. Rowohlt Berlin, Berlin 2018, 349 Seiten, 24,00 Euro

Auch bei Jobs und Umweltschutz gibt es angeblich ein Entweder-oder. Ein „analytischer Irrtum“, so Patel und Moore: Nur im gegenwärtigen Kontext ist Erwerbsarbeit ein isolierter Teil des Lebens und oft fremdbestimmte Plackerei statt sinn- und lustvolle Mitgestaltung.

Das Werk ist in sieben Kapitel eingeteilt zu „sieben billigen Dingen“. Das sind Natur, Geld, Arbeit, Fürsorge, Nahrung, Energie und Leben. Diese Systematik erscheint immer mal wieder etwas holzschnittartig, an manchen Stellen gibt es ärgerliche Wiederholungen und anderswo schweifen die beiden Autoren detailreich ab. Wahrscheinlich liegt es an der Übersetzung, dass Menschen an manchen Stellen sprachlich zu Objekten gemacht werden wie der hingerichtete nigerianische Umweltaktivist Ken Saro-Wiwa. Doch insgesamt ist das Buch von Taj Patel und Jason W. Moore auf jeden Fall lesenswert.

Es belegt vielfach und gut nachvollziehbar, wie wir dahin gekommen sind, wo wir heute als Menschheit stehen. Zugleich macht es unumwunden klar, warum diese Ära zu Ende gehen wird: Der durch billige Energie erzeugte Klimawandel macht der billigen Nahrung ein Ende, die zwar den Hunger nicht beseitigt hat, aber bisher billigen Arbeitern das Überleben ermöglichte.

„Wir müssen von einem Wandel träumen, der radikaler ist als das, was uns die Politik anbietet“

Die beiden Autoren wollen die Welt nicht nur analysieren, sondern auch verändern. „Die Erkenntnis, um die es uns geht, ist keine individual-therapeutische, sondern eine institutio­nelle und systemische.“ Zwar sind sie alles andere als optimistisch: Sie sehen keine Aussicht auf eine kreative Zerstörung, sondern nur Destruktion, heißt es an einer Stelle; in der Einleitung bekennen sie sich zu einem „gesunden Pessimismus des Intellekts“.

Gleichzeitig aber plädieren sie für einen „Optimismus des Willens“ und hoffen darauf, dass die Menschheit die Verbindungen zum Netz des Lebens neu erfindet, wo Beziehungen auf Kooperation statt auf Konkurrenz basieren.

Vielfältige Bewegungen wie La Via Campesina, Movement for Black Lives oder Reclaim the Streets erscheinen ihnen auf dem richtigen Weg. „Wir müssen von einem Wandel träumen, der radikaler ist als das, was uns die Politik derzeit anbietet“, schreiben die beiden. Dass Vorstellungen von der Welt die Welt verändern können, belegen schließlich Denker wie Francis Bacon, John Locke und René Descartes, die unsere Wahrnehmung seit Jahrhunderten prägen, ohne dass den meisten von uns das bewusst ist.

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