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Kolumne Press-SchlagUnbesiegbare Kriegsversehrte

Martin Krauss
Kolumne
von Martin Krauss

Bei den Invictus Games treten versehrte Soldaten im Sport gegeneinander an. Das ist nichts anderes als Kriegs-Fortsetzung mit anderen Mitteln.

Es wird viel Wind um die Invictus Games gemacht, unter anderem mit Meghan, Herzogin von Sussex Foto: dpa

W ofür die Invictus Games stehen? Lassen wir es doch die Bundeswehr selbst sagen: „Wille, Mut, Glaube, Stärke.“ „Invictus“ ist schließlich das lateinische Wort für „unbesiegt“. Und für wen gibt es das Spektakel, das gerade in ­Sydney stattfindet? „For our wounded warriors.“ Das klingt verdammt nach Ernst Jünger 2.0.

Damit sich die Weltöffentlichkeit plötzlich für die Tapferkeit und die Fähigkeiten von im Krieg versehrten Soldaten interessiert, wird alles an PR aufgeboten, was dieses unwichtige Sportfest zum Megaevent macht: Welches Kleid trägt Herzogin Meghan? War dieser Heiratsantrag bei der Siegerehrung nicht herzergreifend? Und natürlich: „Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (60) kuschelt bei den ­Invictus Games herzhaft mit Maskottchen ‚Cobber‘“ (Bild).

All das gibt’s bei den Paralympics nicht. Seit 2014 finden die Invictus Games statt. Doch derart zum Event hochgeblasen wie aktuell wurden sie noch nie. Grund genug für die FDP, sich ganz nationalliberal dieser Sache anzunehmen: Um „diesen Soldatinnen und Soldaten bestmöglich zu helfen“, heißt es in einem Antrag, soll Deutschland demnächst die Spiele ausrichten.

Die Frage, warum Kriegsversehrtenwettkämpfe „bestmögliche“ Hilfe für Menschen sind, die bei Kriegseinsätzen physisch oder psychisch zu Schaden kamen, stellt interessanterweise niemand. Die Zeit zitiert einen Bundeswehrsporttherapeuten, der sagt, man wolle „die Patienten zurück ins normale Leben führen“. Back to Kundus? Oder wo ist das normale Leben von Kriegssoldaten?

200-Meter-Sprint bei den Invictus Games in Sydney Foto: ap

Im Zivilleben jedenfalls nicht, denn auf die Idee, dass Kriegsversehrte, die ja jetzt auch gerne „Veteranen“ genannt werden, bei paralympischen Wettkämpfen im allgemeinen Behindertensport antreten sollten, kommt ­keiner.

„Heldenmut der Unbesiegten“

Es geht schließlich um die Mission. Wo die zuständige Ministerin von der Leyen nur „bewegend, motivierend, inspirierend“ flötet, drückt sich ein erfahrener Kriegsherr wie der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko etwas deutlicher aus: „Der ganzen Welt den Heldenmut der unbesiegten Ukrainer zu zeigen“, das sei der Sinn der Spiele.

Daher treffen dort auch nicht versehrte Soldaten auf ihre Opfer, auf Zivilisten, die etwa Ziel eines Bombardements wurden. Was üblicherweise als Sinn des Sports verkauft wird, dass dabei sein alles sei, ist in kürzerer Zeit in Vergessenheit geraten, als ein Sprinter mit Prothesen über 100 Meter braucht.

Stemmen, auch wenn man liegt: Gewichtheber bei den Invictus Games in Sydney Foto: ap

Daher sind auch nur Sportler aus Nato- und mit diesem Militärpakt kooperierende Staaten vertreten und keine Athleten aus, wie man wohl sagt, feindlichen Ländern. Wo „invictus“, unbesiegt, draufsteht, geht es doch nicht um Opfer.

Und an Menschen, die im Straßenverkehr verletzt wurden oder bei einem terroristischen Anschlag, wird selbstverständlich nicht gedacht. Ach, und an Menschen, die seit Geburt oder durch Krankheit körperliche Einschränkungen haben, schon gar nicht. Zivilistenpack, pah.

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Das Propagandagetöse, das Bild und Bundeswehr um ihre Versehrtenspiele machen, sagt viel über den aktuellen Zustand der Welt aus. Neu ist das nicht, der gesamte Behindertensport ist ohne den Ersten Weltkrieg nicht denkbar. Erst danach wurden massenhaft Krücken und Prothesen produziert, mit denen man auch Sport treiben konnte. Exakt einhundert Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wird wieder das Weiterleben nach Stahlgewittern verklärt. Diesmal kommt die Fortsetzung des Krieges sehr neoliberal daher, als Challenge unserer Warriors.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte
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8 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ich kann und mag nicht beurteilen, ob Martin Krauss sorgfältig recherchiert hat.

    Allerdings ist es in der Tat auffällig, mit welchem Brimborium hier Propaganda und PR von den Foristen betrieben wird.

    Dass unsere Welt aus den Fugen geraten ist, ist nicht neu. Dass dies von den Profiteuren und Verharmlosern gesellschaftlicher und sozialer Ungleichheit propagandistisch ausgeschlachtet wird, ist durchsichtig. Zumindest für jene, die andere Maßstäbe besitzen als die drei Affen.

    Apropos Maßstäbe: in meinem Augen (nach dem SchwbG anerkannt) ist es hochpeinlich, als Behinderter Gesunden nachzueifern.

    Bewunderswert wäre es für mich, sich eigene Ziele zu setzen und die umzusetzen versuchen. Ziele, bei denen die Behinderung angenommen wird. Nicht verdrängt.

    Erinnert mich an die vielen über 60- und über 70jährigen in den Bekanntschaftsanzeigen, die mit ihrer angeblichen Jugendlichkeit werben. Bei diesem "glücklichen Bewusstsein" hilft nur nöch betretenes Wegsehen.

    Fazit: mit den Pfunden wuchern, die man hat. Oder, wie schon Erasmus von Rotterdam meinte: "Der Kern des Glücks: der sein zu wollen, der du bist."

  • Recherche ist mühsam, Pamphlete schreiben ist einfach. Uninformiert, voreingenommen und überheblich haut der Autor einfach heraus, was ihm durch den Kopf geht. Er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht herauszufinden, warum die Spiele "Invictus" heißen. Als Leserbrief ok, als Artikel ein Witz.

  • Dieser Text ist geschmacklos und widerlich !!!



    Und eine Frage an den Autor schon mal von den Paralympics gehört ?

    Bitte liebe taz macht wieder Journalismus und nicht politische Propaganda

    • @der_kleine_ Print:

      Eine Frage an dich:



      Den Text gelesen?

  • Was für ein eckliger Text.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @modulaire:

      Wenn wenigstens das Orthographieprogramm richtig eingestellt wäre ...

  • Irgendwie merkt man schon, dass Martin mit keinem einzigen Veteranen oder Sportler gesprochen hat. Dafür müsste man gar nicht bis nach Sydney fahren. Man hätte die deutsche Mannschaft um Mannschaftskapitän Stefan Huss fragen können. Nicht für einen Pfennig Sympathie für die traumatisierten Männern und Frauen, die den Anspruch auf ein eigenes Leben nicht aufgeben. Stattdessen eine Papierlawine ideologischer Anschuldigungen.

    • @Mark2013:

      Komisch, ich habe nichts negatives gegen die Teilnehmer gelesen, jedoch sehr stichhaltig Kritik an den Organisatoren, dem Zweck dieser Veranstaltung und der Ausschlachtung zu Propagandazwecken.

      Es gibt die Paralympics, an denen jeder Teilnehmer der Invictus Spiele teilnehmen könnte, und welche wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdienen würden als ihnen bisher zu Teil wird.



      Wieso es eine extra Veranstaltung geben muss, um einen Traurigen, falschen Heldenmythos zu befördern und zu erweitern, erschließt sich mir keineswegs. Auch finde ich es mehr als fragwürdig Kriegsversehrte zu Propagandazwecken einzuspannen während man ihnen vorgaukeln es ginge um ihre Sportlichen Leistungen.



      Würde es um die Leistung gehen:



      Paralympics!

      Oder bemisst sich bei ihnen der Wert einer Person und seiner Leistung danach, wie jemand zu seiner körperlichen Einschränkung gekommen ist?



      Meiner Meinung nach sollte das bei einem sportlichen Wettkampf keinerlei Rolle spielen.