piwik no script img

heute in bremen„Versteck, Mülllager und Urin“

JPB

Hellena Harttung, Ortsamtsleiterin Mitte/ Östliche Vorstadt, zuständig für Beiratsfragen, Kultur und Stadtentwicklung.

Interview: Lea Schweckendiek

taz: Frau Harttung, wieso begünstigt die Mauer vor der Helenenstraße Kriminalität?

Hellena Harttung: Die Mauer bietet in ihrer jetzigen Form Raum, sich zu verstecken und sich der Öffentlichkeit zu entziehen, quasi unsichtbar zu werden.

Welche Probleme bringt sie sonst mit sich?

Die Mauer wird immer wieder zur Mülllagerung oder zum Urinieren genutzt. Außerdem verhindert sie den Blick in die Straße – die Polizei wünscht sich hier freie Sicht.

Welcher Diskurs wird derzeit um die Mauer geführt?

Wir haben an einem Runden Tisch den Kontakt zwischen verschiedenen Beteiligten rund um die Helenenstraße hergestellt. Nitribitt, die Interessenvertretung der Sexarbeiterinnen, Eigentümer, aber auch verschiedene Senatsbüros und die Stadtreinigung. Die Frage ist derzeit, wie der Eingangsbereich der Straße umgestaltet werden kann. Einigkeit besteht darin, dass es notwendig ist den Ort sicherer, sauberer und heller zu machen. Um diese Fragen wird es auch in der Beiratssitzung gehen.

Gibt es auch Stimmen, die für den Erhalt der Mauer sprechen?

Die gibt es. Argumentiert wird vor allem, dass die Mauer einen historischen Wert hat, auch wenn sie nicht denkmalgeschützt ist.

Beiratssitzung in der Östlichen Vorstadt, zur Diskussion steht die Mauer vor der Helenenstraße. 19 Uhr, Bürgerhaus Weserterrassen

Welche Geschichte steckt dahinter?

Der Ort war früher ein Kontrollposten, die Straße zu der Zeit komplett geschlossen. Sie war schon damals Raum für Prostitution, allerdings in einem streng reglementierten Umfeld. Die Mauer ist Überbleibsel dieser Abschottung der Prostitution von der Stadt. Zur Zeit ihrer Entstehung, Ende des 19. Jahrhunderts, war die Helenenstraße mit dieser Abschottung ein Modellprojekt, auf das das Land Bremen sehr stolz war. Die Prostituierten arbeiteten ohne Zuhälter. Dass eine Repression jedoch durch das Beschränken der Freiheit der Frauen blieb, wurde verschwiegen.

Wie stehen die Sexarbeiter*innen zu dem Sichtschutz?

Da gibt es unter den Frauen kein einheitliches Stimmungsbild. Klar ist nur: Historisch sorgte die Abgrenzung des Raums für ein Gefühl von Unfreiheit, sie war Sinnbild der Unterdrückung und wollte Prostitution von der Öffentlichkeit trennen. Heute stören die Frauen sich vor allem an dem Müll und der Dunkelheit, die die Mauer mit sich bringt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen