: Ein Sieg auch ohne Kreativität
Turbine Potsdam gewinnt 3:1 gegen Frankfurt. Das Ziel in dieser Saison: wieder Platz 4. Das wird schwer
Von Alina Schwermer
Es ist leerer geworden bei Turbine Potsdam in dieser Saison. Zum einen fehlen viele bekannte Gesichter: Die Abgänge der unerschütterlichen Antreiberinnen Tabea Kemme und Lia Wälti tun am meisten weh; sie spielen jetzt bei Arsenal London, wo qua neuer Liga-Vorschrift alle Spielerinnen Profis sind. England startet den vielleicht letzten Versuch, den europäischen Frauenfußball von oben zu professionalisieren. In Potsdam hingegen ist das sehr weit weg: Harte Arbeit hat es hier noch immer gerichtet – leider reicht das alleine nicht mehr aus.
Es ist auch auf den Rängen leerer geworden. Gerade mal 1.400 Menschen wollten sich bei strahlendem Sonnenschein am Samstagnachmittag das zweite Heimspiel der Saison und proklamierte deutsche „Traditionsduell“ gegen den FFC Frankfurt anschauen. In guten Zeiten – die sind jetzt sechs Jahre her – kamen im Schnitt 2.500 Zuschauer zu Bundesligaspielen ins Karl-Liebknecht-Stadion.
Die deutsche Bundesliga verliert überall Zuschauer, Potsdam ist da nicht allein. Aber sportlicher Niedergang und Zuschauerschwund gehen im „Karli“ im Gleichschritt; unaufhaltsam ist Turbine nicht nur hinter die Top-Teams Wolfsburg und Bayern, sondern auch hinter Hoffenheim und Freiburg gerutscht. Der vierte Platz am Ende der vergangenen Saison hatte schon alle enttäuscht, war aber angesichts von schwieriger Infrastruktur und fehlenden Geldreserven nicht überraschend. Mit viel Herz kämpfen die Potsdamerinnen auch in diese Saison den Kampf des finanziellen Fliegengewichts gegen die Mittelgewichte. Und wieder fordert Trainer Matthias Rudolph soll ein Platz unter den ersten Vier her; man wolle „so lange wie möglich ganz oben mitspielen“.
Der FFC Frankfurt, nur noch ein Abklatsch alter Glanzzeiten und mit null Punkten im Gepäck, war da ein dankbarer Gegner. In einer temporeichen, körperbetonten Partie gewann Turbine letztlich verdient mit 3:1. Streckenweise spielte Rudolphs Team deutlich kontrollierter und ansehnlicher nach vorn als in der Vorsaison; an Kombinationsspiel und Chancenverwertung war sichtlich gefeilt worden. Schneller, flacher, variantenreicher war das im Idealfall.
Gegen spielfreudige Frankfurterinnen fehlte den Potsdamerinnen aber wie schon früher im Aufbau teils die Kreativität. Der liebste Turbine-Angriff bleibt der lange Ball oder ein Standard: Irgendjemand würde dann schon den Fuß hinhalten. Tatsächlich reichte das am Samstag. Ein schöner Konter, vollendet durch Lara Prasnikar kurz vor der Pause, und wenige Minuten später eine Ecke zum 2:0: Damit waren die Machtverhältnisse weitgehend geklärt. Und zumindest über Nacht durfte Turbine auf dem vierten Platz bleiben.
„Für Titel oder die Champions-League-Qualifikation muss bei einem Verein wie uns alles passen“, hatte Matthias Rudolph vor dem Saisonstart in einem Interview gesagt. Von einem Titel zu reden wirkt angesichts der Ausgangslage doch sehr optimistisch. Schon der erneute vierte Platz wird ein Kraftakt, denn auch Freiburg und Hoffenheim haben aufgerüstet. Möglicherweise bringt das immerhin neuen Pep in den Kampf an der Spitze der Bundesliga statt des drögen Wolfsburg-Bayern-Wettstreits. Turbine Potsdam wird eher um Platz vier bis fünf spielen.
Jugendarbeit soll es auch für die Zukunft richten, mehr finanzielle Mittel wolle man zudem auftreiben, kündigte Rudolph an. Und der Coach und sein Team machen Spaß, weil sie sich einfach trotzdem weiter da oben festbeißen, obwohl es bröckelt und knirscht, und die Spitze von Jahr zu Jahr spielerisch weiter außer Sicht rückt. Die Fans werden wissen, dass all die hehren Träume, Spitzenclub zu bleiben, eigentlich nicht wahr werden können, träumen aber irgendwie doch davon. Und vielleicht… So ist Fußball.
Bis zum nächsten Spiel gegen Essen ist noch etwas Zeit: Erst am 14. Oktober geht die Liga weiter. Eine Woche später kommt dann der FC Bayern zu Besuch – und vielleicht auch wieder mehr Zuschauer.
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