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Der Sprung ins Irgendwo

SKULPTUR Mirsad Herenda hat gerade sein Studium beendet – und schon eine Einzelausstellung im Gerhard-Marcks-Haus. Ausgebildet war er allerdings schon vorher

Mirsad Herenda 

■ Jahrgang 1967, wurde in Gorazde im heutigen Bosnien und Herzegowina geboren. 2001 beendete er sein Studium der Bildhauerei in Sarajevo und kam 2006 nach Bremen

Interview Radek Krolczyk

taz: Sie haben eben erst ihr Studium mit einem Meisterjahr an der Hochschule für Künste in Bremen beendet, und schon sind ihre Arbeiten in mehreren großen Museen zu sehen – fühlt sich das nicht seltsam an?

Mirsad Herenda: Ich bin darüber sehr glücklich. Besonders über die Ausstellung im Gerhard-Marcks-Haus, da geht es ja explizit um Skulptur. Insgesamt habe ich in diesem Jahr in vier Museen ausgestellt. Im Marcks-Haus, im Überseemuseum während der Voodoo-Schau, in der Weserburg und in der städtischen Galerie in Güstrow.

In Bremen haben Sie studiert, wie kommen Sie nach Güstrow?

Das war ein Wettbewerb, aber ich habe leider nicht gewonnen. Teilgenommen hatte ich nicht mit den riesigen Baumskulpturen, die im Marck-Haus und der Weserburg stehen, sondern mit Skulpturen von Vögeln. Die habe ich aus Draht gemacht, es sind im Raum stehende Zeichnungen. Eine Art Mobile.

Ihre Motive kommen aus der Natur. Sie bauen Bäume oder Steinböcke, ihre Arbeitsweise ist figürlich. Für einen Absolventen der Bremer Kunsthochschule ist das sehr ungewöhnlich. In den Bildhauerklassen hier wird konzeptuell gearbeitet…

Ich arbeite im Grunde auch konzeptuell, bloß stehen in der Kommunikation zwischen mir und dem Betrachter visualisierte Gebilde, die sich unsichtbar auf der anderen Seite unseres Seins bewegen. Das Motiv ist dabei fast unwichtig, die Informationen stechen an erster Stelle. Es gibt oft das Problem, dass der Betrachter sich mehr mit der Form als mit dem Inhalt beschäftigt.

Gemeinhin gilt heute konzeptuelles Arbeiten in der Bildhauerei als angesagt.

Ich habe in Sarajewo vorher schon einmal Kunst studiert und dort alles Mögliche ausprobiert. Zum Beispiel habe ich viel in Performances gearbeitet. Auch in Bremen habe ich noch vor fünf Jahren auf dem Marktplatz eine Performance gemacht. Jede Arbeitsweise hat ihre Berechtigung. Ich finde es aber befremdlich, wenn alle mehr oder weniger das selbe machen, nur weil es angesagt ist. Schließlich haben doch alle eine unterschiedliche Herkunft, eine eigene Geschichte. Man nimmt als Künstler sein Leben lang viele unterschiedliche Informationen auf, die dann in die Arbeitsweise eingehen müssten.

Wie war denn das Bremer Kunststudium?

Am Ende war es sehr schwierig, vor allem aufgrund dieser Monokultur. Als ich jedoch nach Bremen kam, habe ich zunächst bei Bernd Altenstein studiert. Mich hat fasziniert, dass in der Klasse dieses figürlich arbeitenden Professors, alle machen konnten, was sie wollten, und dabei von ihm große Unterstützung bekamen. Er schaffte eine Atmosphäre, in der ein Austausch zwischen den Studierenden möglich war. So etwas ist sehr wichtig, denn im Grunde habe ich denselben Ausgangspunkt wie ein konzeptuell arbeitender Künstler: Wir beide nehmen Bezug auf die reale Welt. In meinen Figuren findet eine geistige Umsetzung statt, in Performances geschieht dies viel direkter mittels des eigenen Körpers. Über die Unterschiede lernt man voneinander.

Das Studium in Sarajewo war ganz anders?

Aber ja! Das Kunststudium in den Ost- und Südosteuropäischen Ländern wie Polen, Russland oder eben auch Bosnien-Herzegowina ist stark reglementiert. Es gibt Fächer und Anwesenheitspflicht, wie in der Schule. Um neun ging der Unterricht los, jeden Tag vier Jahre lang mit Philosophie und Geschichte. Bei dreimaligem unentschuldigtem Fehlen musste man die Hochschule verlassen. Ich habe während dieser Zeit 36 Prüfungen geschrieben. Es war anstrengend, es gab zu wenig Praxis und zu viel Theorie. Das war 1996, also direkt nach dem Krieg.

Sie sagten, dass die eigene Erfahrung sich in den Arbeiten eines Künstlers niederschlägt. Wie ist das bei Ihren eigenen Arbeiten?

Ich verwende Motive, die ich in meiner Heimat kennen gelernt habe, diese Vögel und Steinböcke. Aber ich suche darin nicht nach einem Ursprung, vielmehr versuche ich, mit meiner Vergangenheit so in Kontakt zu kommen. Meine Themen nehme ich aus der Natur, weil ich das Sehen von der Natur gelernt habe.

Die Arbeiten, die man zurzeit von Ihnen in Bremen sehen kann, fallen durch eine gewisse Handwerklichkeit auf: Ihre Bäume sind riesige Metallgebilde, Sie haben sie aus Draht und Stahlplättchen zusammengeschweißt. Sie sind natürlich, aber auch unglaublich morbide, in ihrer bleiernen Schwere, den abgebrochenen Ästen, ganz ohne Laub. Sie wirken wie beschädigte Individuen?

Sie spiegeln meine Situation im Krieg wider, der die Menschen beschädigt und auf sich selbst zurückwirft. Aber es findet sich darin auch eine Art selbstzerstörerischer Antrieb. Denn auch meine Steinböcke sind aus Metall. Sie werden von einer seltsamen autoaggressiven Dynamik getrieben, sie springen irgendwohin, gänzlich verloren.

■ Die Arbeiten von Mirsad Herenda sind noch bis zum 7. 10. in der Weserburg und bis zum 14. 10. im Gerhard-Marcks-Haus zu sehen

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