Europäisch-kanadischer Handelspakt: Kein Ceta-Stopp durch Parlamente

Die Ablehnung eines nationalen Gesetzgebers reicht nicht aus. Eine offizielle Mitteilung der jeweiligen Regierung sei nötig, meint die EU-Kommission.

Schrift an Hauswand: Behaltet euer Ceta

Schrift an einer Hauswand: Behaltet euer Ceta Foto: imago/Steinach

Berlin taz | Die EU setzt offenbar darauf, das umstrittene europäisch-kanadische Handelsabkommen Ceta auch dann weiter bestehen zu lassen, wenn sich das Parlament eines der 28 Mitgliedsstaaten gegen die Ratifizierung ausspricht. Bislang galt der Wirtschaftspakt als gescheitert, wenn das nationale Parlament oder wie in Deutschland eine gesetzgebende Kammer wie der Bundesrat die Annahme verweigert.

Ceta war im vergangenen September von der EU und Kanada vorläufig teilweise in Kraft gesetzt worden. Damit gelten alle Bestimmungen, die ausschließlich in den Kompetenzbereich der EU fallen, etwa der Wegfall fast aller Zölle. Nach der Ratifizierung durch alle EU-Mitgliedsstaaten soll Ceta endgültig und vollständig in Kraft treten.

Kritiker des Abkommens befürchten ein Absenken von Verbraucherstandards in der EU und mehr Einfluss für Unternehmen, etwa durch spezielle Ausschüsse, die sogenannte regulatorische Kooperation. Diese Ausschüsse, in denen Industrievertreter Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen können, haben sich bereits konstituiert.

Nicht tätig sind dagegen spezielle Gerichte für Unternehmen, vor denen Klagen gegen politische Entscheidungen möglich sind. Diese Sonderklagerechte werden erst wirksam, wenn Ceta ratifiziert ist. Die italienische Regierung hat erklärt, das Abkommen nicht absegnen zu wollen. Damit könnte die vorläufige Inkraftsetzung von Ceta weitergehen, denn es gibt kein Datum, bis zu dem der Pakt angenommen sein muss.

Italien will Ceta nicht

Aber auch wenn ein Parlament wie das in Rom die Ratifizierung ablehnt, wird das Abkommen wohl nicht gestoppt. Was geschehe, wenn ein einzelnes Parlament die Ratifizierung ablehne, hänge zwar von dem jeweiligen nationalen Verfahren ab, teilte eine Sprecherin der EU-Kommission auf taz-Anfrage mit. „Aber ich möchte betonen, dass eine einfache Ablehnung des Parlaments nicht ausreichen würde, damit die Ratifizierung fehlschlägt“, sagte sie.

Es wäre die offizielle Mitteilung an den Rat erforderlich, „dass der Ratifizierungsprozess nicht abgeschlossen ist und auch nie abgeschlossen werden wird“. Die vorläufige Anwendung des Abkommens werde eingestellt, wenn eine nationale Regierung formell mitteile, dass die Ratifizierung von Ceta „dauerhaft und endgültig wegen einer Entscheidung eines Verfassungsgerichts oder nach Abschluss anderer verfassungsmäßiger Verfahren scheitert“, so die Sprecherin.

Zweifel an Ceta nährt eine neue Studie über den Einfluss der Industrielobby auf die Gesetzgebung in der EU. Die Kapitel zur „regulatorischen Kooperation“ seien „teilweise nahezu exakt aus Unternehmenstexten kopiert worden“ heißt es in der Studie, die vom europäischen Netzwerk „Allianz für Lobbytransparenz und ethische Regeln in der EU“ (ALTER-EU) in Brüssel veröffentlicht wurde.

Bei der „regulatorischen Kooperation“ geht es um technischen Normen und Standards, aber auch um Umwelt- und Sozialgesetze. Durch die allzu vertrauensvolle Zusammenarbeit bei Ceta und anderen Handelsabkommen sei die EU-Gesetzgebung „gekapert“ worden, kritisieren die Autoren von ALTER-EU. Daran habe sich auch seit dem vorläufigen Inkrafttreten von Ceta nichts geändert.

Wenn sich der Eindruck festsetze, dass die EU nur den Interessen von „Big Business“ folge, stärke dies die Nationalisten und Populisten, warnt Nina Katzemich von Lobbycontrol. „Die Wahlen zum EU-Parlament sind ein guter Zeitpunkt, den Kampf gegen überbordende Macht der Konzerne auf die politische Agenda zu setzen“, fordert sie. Auch Ceta gehöre erneut auf den Prüfstand.

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