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Gelbe Karte für Bußgeldverteiler

Bremer Staatsanwälte sollen jahrelang ihre eigenen Sportvereine bevorzugt und mit Bußgeldern finanziert haben. Die Bürgerschaft will das Vergabeverfahren der Gelder an gemeinnützige Einrichtungen trotzdem beibehalten, aber in Zukunft verbessern

Von Milena Pieper

Der Fall hatte im März für Aufregung gesorgt: Zwei Bremer Amtsanwälte sollen ihre Sportvereine mit Bußgeldern von über 50.000 Euro finanziert haben. Das hatten der Weser-Kurier und das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv aufgedeckt. Jetzt, ein halbes Jahr später, reagiert der Rechtsausschuss der Bürgerschaft mit einem Beschluss auf die Vorwürfe. Ein Bericht des Justizressorts bestätigt diese nicht in vollen Umfang, gibt aber Handlungsempfehlungen, um die Vergabe der Gelder zu verbessern. Eine Änderung des Vergabeverfahrens könnte in einem zweiten Schritt folgen. Dann soll die Einführung eines Sammelfonds für Bußgelder geprüft werden, aus dem diese anschließend verteilt werden.

Die Bußgelder, die den Bremer Anwälten zum Verhängnis wurden, kommen aus Strafverfahren mit Bewährungsauflagen oder bei denen der oder die Angeklagte eine Geldstrafe zahlt, damit das Verfahren eingestellt wird. Die Möglichkeit, Gelder an gemeinnützige Einrichtungen zu vergeben, ist durch die Strafprozessordnung sichergestellt. Die Gelder können in die Staatskasse eingezahlt oder – wie in den im März bekannt gewordenen Fällen – an gemeinnützige Einrichtungen gespendet werden.

Der Fall der Bremer Staatsanwälte war Teil einer bundesweiten Auswertung der Vergabe von Bußgeldern, die Correctiv in einer Datenbank veröffentlicht hatte. Sie umfasst die von Richtern und Staatsanwälten begünstigte Organisationen sowie den entsprechenden Geldbetrag.

Bei den beiden beschuldigten Bremern handelt es sich um zwei Amtsanwälte der Staatsanwaltschaft. Einer der beiden Anwälte ist Vereinsmitglied, der andere soll einem Verein nahestehen. Dem Bericht des Weser-Kurier zufolge handelt es sich um die Bremer Vereine SG Marßel und FC Union 60. Sie sollen im Zeitraum von 2009 bis 2016 zwischen 26.000 und 29.000 Euro erhalten haben, während andere Vereine gar nicht berücksichtigt worden seien. Für die Sportgemeinschaft Marßel etwa enthält die Datenbank neun Einträge aus den Jahren 2007 bis 2009. Die höchste Zuwendung soll 5.550 Euro im Jahr 2012 betragen und vom Oberlandesgericht Bremen kommen.

Bereits im März hatte das Justizressort angekündigt, die Fälle sowie die Vergabepraxis von Bußgeldern im Land Bremen zu prüfen. „Wir schauen uns erst mal unser Verfahren an und dann sicherlich auch das anderer Bundesländer“, sagte der Sprecher der Behörde damals. Dem jetzt veröffentlichten Bericht zufolge seien die von der Presse veröffentlichten Zahlen nicht im Detail nachvollziehbar. Das Ressort betont außerdem, dass nur einer der beiden Oberamtsanwälte tatsächlich Mitglied im begünstigten Verein sei. Weitere Funktionen seien nicht bekannt.

Trotzdem enthält der Bericht sechs Handlungsempfehlungen, denen der Ausschuss nun zugestimmt hat. So soll die umfangreiche Liste der Bußgeldinteressenten stärker differenziert werden und die begünstigten Vereine sollen die Verwendung des Geldes nachweisen. Außerdem soll der jeweilige Verein in Zukunft von Anfang an namentlich benannt und ein regelmäßiges Controlling der Bußgeldzuweisung durchgeführt werden. Ein Projekt soll die Vergabe an gemeinnützige Vereine durch die Antikorruptionsbeauftragte optimieren. Nachdem die Erfahrungen mit diesen Optimierungen ausgewertet wurden, empfiehlt das Justizressort außerdem zu prüfen, ob ein Sammelfonds eingeführt werden soll. Den gibt es in anderen Bundesländern bereits.

Denn bei der Bußgeldvergabe sind zwei Vorgehensweisen zu unterscheiden: Die Bußgelder jedes Strafverfahrens können direkt vergeben werden – so wie bisher in Bremen. „Ein Vorteil ist, dass so eine Nähe zur Tat eingehalten werden kann“, erklärt der Sprecher des Bremer Justizressorts. Wenn es sich etwa um ein Straßenverkehrsdelikt handelt, kann das Bußgeld so einem Verein zugute kommen, der sich dafür einsetzt, solche Delikte zu verhindern. Doch die direkte Vergabe von Bußgeldern durch Staatsanwälte und Richter steht wegen fehlender Transparenz und Fällen von Vetternwirtschaft in anderen Bundesländer schon länger in der Kritik. Die Datenbank von Correctiv hatte die Diskussion weiter angeheizt.

Die direkte Vergabe von Bußgeldern durch Staatsanwälte und Richter steht wegen Fällen von Vetternwirtschaft in der Kritik

Eine zweite Möglichkeit ist, die Strafgelder in einem Fonds zu bündeln und sie anschließend zu verteilen. Dann entscheidet ein Gremium, welche Vereine es bei der Auszahlung berücksichtigt.

Dieses Modell nutzen zum Beispiel die Hamburger Gerichte. Es gibt zwar auch dort die Möglichkeit der Direktzuweisung, wenn der Beschuldigte dies wünscht und das Gericht zustimmt, ein Großteil der Zahlungen erfolgt allerdings über den Sammelfonds für Bußgelder. Vier verschiedene Fonds beinhalten jeweils zehn Fördergebiete. Gerichte und Staatsanwaltschaften weisen diesen Fördergebieten Bußgelder zu, anstatt sie direkt an gemeinnützige Einrichtung zu vergeben. Die Vereine, die bei den Auszahlungen berücksichtigt werden können, stehen auf einer Liste der Justizbehörde und müssen Kriterien erfüllen, wie etwa die Gemeinnützigkeit und einen Bezug zu Hamburg.

Die Mitglieder des Gremiums bestimmt in Hamburg der Präsident des Oberlandesgerichts, im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Landgerichts. Und auch der Generalstaatsanwalt kann Mitglieder vorschlagen, die der Präses der Justizbehörde dann bestätigen muss. Das Gremium fasst mehrheitliche Beschlüsse, das heißt, die Entscheidung geht – anders als in Bremen – nicht auf eine Einzelperson zurück. Außerdem soll eine Regelung sicherstellen, dass kein Mitglied des Gremiums einem Verein nahesteht, an den Bußgelder ausgezahlt werden. Wenn dieser Fall eintritt, müsse das betroffene Mitglied das Gremium verlassen und sein Platz neu besetzt werden, sagt ein Sprecher der Hamburger Justizbehörde. Die Vorschriften wurden in Hamburg erst 2014 geändert, nachdem der Rechnungshof einen Fall von Bevorzugung beanstandet hatte, so der Sprecher. Das könnte auch das Modell für Bremen sein.

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