piwik no script img

Bürgerwehr im Hamburger SchanzenparkDer Politiker, der keiner ist

Marthe Ruddat
Kommentar von Marthe Ruddat

Ein Anwalt will das Recht selbst in die Hand nehmen und gegen die Drogenszene im Schanzenpark vorgehen. Das „Hamburger Abendblatt“ hofiert ihn.

Hunde sollen auch mit von der Partie sein: Schanzenpark im Herbst Foto: Christian Charisius/dpa

E s kann so schön einfach sein: Da fühlt sich ein Irgendjemand zum Drogensheriff berufen und das Hamburger Abendblatt leistet ordentlich Schützenhilfe. Der Irgendjemand wird einfach zum „Bezirkspolitiker“ hochgeschrieben.

Ob Christian Abel wirklich irgendjemand ist, liegt im Auge des Betrachters. Er ist Anwalt für Insolvenzrecht. Das mit dem Dealen im Schanzenpark, das ist Abel ein Dorn im Auge. Einen „rechtsfreien Raum“ toleriere die Polizei da. Task Force Drogen hin oder her, es müsse etwas passieren!

Und weil das Abendblatt schon im April ausführlich über Abels Empörung und seine Forderung nach einem mit Videokameras ausgestatteten Ordnungsdienst berichtet hatte, fand der adrette Anwalt mit dem Seitenscheitel nach eigener Aussage – und laut Abendblatt – „enormen Zuspruch“.

Unter seinen neuen Gesinnungsfreunden hatte dann einer die Idee: Eine Bürgerwehr zur Bekämpfung der Drogenkriminalität im Schanzenpark. Abel nimmt die Sache jetzt also selbst in die Hand und wird Gangboss. Er hat eine Gruppe aus „32 durchtrainierten Freiwilligen“ und drei Hunden zusammengestellt. Ab kommender Woche wird durch den Park patrouilliert. Das Wort „Bürgerwehr“ hört Abel aber nicht so gern. Er ist ja schließlich nicht rechts, hat sogar die Vormundschaft für ein somalisches Flüchtlingskind übernommen.

Nur CDU-Mitglied, kein Politiker

Absolut sicher ist Abel nicht der „Altonaer CDU-Bezirkspolitiker“, zu dem das Abendblatt ihn erhoben hatte. „Ich kenne Herrn Abel persönlich nicht“, sagt Daniela Aust, Geschäftsführerin der CDU-Bezirksfraktion Altona. Abel sei weder Abgeordneter noch zugewählter Bürger. Genau genommen hat er keine politische Funktion. Das hat auch das Abendblatt gemerkt und Abel in seinem Online-Artikel klammheimlich zum „CDU-Mitglied“ degradiert.

Ach ja, und Anzeige ist raus: Von der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger, wegen Bildung bewaffneter Gruppen, Volksverhetzung und Amtsanmaßung.

Anmerkung der Redaktion:

Das aufgrund der Strafanzeige eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen Christian Abel wurde gemäß § 170 II StPO eingestellt. Laut Staatsanwaltschaft hat eine Ermittlung ergeben, dass kein Straftatbestand verwirklicht wurde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Marthe Ruddat
Redakteurin | taz nord
Jahrgang 1986, ist Redakteurin bei der taz nord in Hamburg. Sie ist examinierte Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin, hat Germanistik und Ethnologie studiert und ihr Volontariat bei der taz nord gemacht. Sie schreibt vor allem über gesundheits- und sozialpolitische Themen.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!