das ding, das kommt: Sensible Sofainsel
Für die meisten ist es eine ersehnte Insel der Erholung inmitten des stürmischen Archipels des alltäglichen Treibens und Herumtreibens: das Sofa, auf dem man einfach so herumhängt, gern möglichst „sinnlos“: mal alle Fünfe gerade sein lassen, schön gar nichts tun (Serien gucken zum Beispiel).
Für andere ist das ein Normalzustand, der für viele auch zur Tortur wird. Rund 1,7 Millionen Menschen leben in Deutschland mit einer mehr oder weniger fortgeschrittenen Demenz, Tendenz stark steigend: Im Jahr 2050, davon gehen Gerontolog*innen aus, sind es doppelt so viele, und viele davon ans Sofa, den Lehnstuhl und schließlich das Bett gefesselt. Weil sie die Fähigkeit verlieren, sich bewusst und sicher zu bewegen. Oder weil sie – das betrifft derzeit rund 140.000 Menschen – mit Gurten, Bettgittern und anderen Barrieren daran gehindert werden.
Denn mit Demenz ist oft eine innere Unruhe verbunden, die mit motorischer Überaktivität einhergeht, weil Rhythmen gestört sind, die Orientierung nicht mehr funktioniert oder äußere Umstände – Zeitstrukturen ebenso wie räumliche Umstände – sich geändert haben. Überhaupt haben bauliche Bedingungen einen großen Einfluss auf das Verhalten demenzkranker Menschen, angewiesen sind sie auf eine eindeutig gestaltete, lesbare und einladende Umgebung. Eine gelungene Raumgestaltung, die auf an Demenz Erkrankte Rücksicht nimmt, „vermittelt den Benutzenden das Gefühl von Kompetenz im Alltag, gibt ihnen Sicherheit und wirkt beruhigend“, fasst eine Empfehlung für Institutionen und Baufachleute der Stadt Bern zusammen.
Dazu gehören auch offene, gut erkennbare Ruheräume – am besten Sofas. Ein solches, lilafarben, baut die Initiative „Demenz und Kultur“ in den kommenden Wochen an Hamburger Kulturorten auf, um im Rahmen der Aktion „Zeit für Inklusion“ über Demenzsensibilität aufzuklären. Eine Einladung an alle, bei Kaffee und Kuchen zu klönen. Am Montag steht das Sofa im Bucerius Kunst Forum, am Freitag im Straßenkinderprojekt „Kids“, Lange Reihe 24, Anfang Oktober im Körber-Forum und im November in den Deichtorhallen. Aber los geht's am heutigen Samstag auf dem „Konfetti-Camp“ zum Auftakt der Aktionswoche Demenz. Robert Matthies
Sa, 22. 9., 10–18 Uhr, Konfetti-Camp, Campingplatz ElbeCampInfos: demenzsensibel.info; konfetti-im-kopf.de
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