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Kinder befragen ISS-KommandantenMajor Gerst, völlig losgelöst

Weltraumforschung lockt meist nur Nerds an. Wenn Astronaut Alexander Gerst live von der ISS talkt, ist das allerdings wirklich unterhaltsam.

Popstar unter den WeltraumseglerInnen: Alexander Gerst antwortete Kindern Foto: dpa

BERLIN taz | Felix hatte die wohl schnuckligste Frage: „Kann man in der Schwerelosigkeit schwimmen? Können Sie das mal vormachen?“ Felix war einer von 1.200 Jungen und Mädchen, die am Dienstag live mit den Astronauten Alexander Gerst reden konnten, ein Gespräch, von Berlin geradewegs ins Weltall. Seit Anfang Juni ist Gerst, Geophysiker und Vulkanologe aus Künzelsau in Baden-Württemberg, auf der Internationalen Raumstation ISS, zusammen mit dem russischen Kosmonauten Sergej Prokopyev und der US-Astronautin Serena Aunón-Chancellor.

Gerst, der die Crew leitet, machte es vor: Schwimmstöße durch die Raumkapsel, so als würde er sich im Freibad tummeln. Das Mikro, über das er den Kontakt zur Erde hielt, und eine „Zeitkugel“ (dazu später mehr) flogen derweil in andere Ecken der ISS. Aber Gerst wäre nicht Gerst, hätte er beides nicht sofort wieder eingesackt. Die drei RaumfahrerInnen müssen im Universum ganz anderes leisten, innerhalb von sechs Monaten führen sie über 300 Experimente durch, Humanmedizin, Plasmaphysik, Materialforschung, so was.

Weil das alles wahnsinnig kompliziert ist und in der Regel nur Nerds vom Hocker reißt, hatte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) eine Idee: eine Raumfahrtshow für Schülerinnen und Schüler. Damit tourt das DLR quer durch Deutschland, am Dienstag war es also in Berlin an der Technischen Universität. Der Audimax war knackevoll, die Presse drängte sich. Diesmal gab es nicht nur eine virtuelle Führung durch die Fußballfeld große Raumstation mit Küche, Laufband, Laboren und Weltraumtoilette. Diesmal war Alexander Gerst dabei, live und wahrhaftig. Und das, obwohl er in der ISS 408 Kilometer weit weg von der Erde ist.

Gerst ist mittlerweile so etwas wie ein Popstar unter den WeltraumseglerInnen, das Event „Kinder fragen, Gerst antwortet“ ist wie gemacht für den 41-Jährigen, der unter dem Namen @Astro_Alex immer mal spektakuläre Bilder aus dem All twittert.

Die Mädchen und Jungen wollten nicht nur wissen, was man so isst in der Raumkapsel, wie man dort schläft und was Gerst tun würde, wenn er einen Wunsch frei hätte. 8.000 Kinder haben vor dem Abheben der ISS eine „Zeitkugel“ gebastelt: eine Glaskugel so groß wie eine Honigmelone, bestückt mit einem Datenträger voller Wünsche und Aufträge für die Menschheit. Wünsche wie Medizin für alle, unabhängig vom Geldbeutel, dass die Menschen zusammen halten sollen, Weltraumflüge für alle.

Loch mit Kaugummi gestopft

Sehnsüchte und Zukunft. Die Gegenwart auf der ISS indes ist mit, nun ja, ganz irdischen Problemen konfrontiert. Neulich erst hatte die Sojuskapsel ein Loch. Wahrscheinlich ausgelöst durch einen kleinen Stein oder was sonst so durchs Weltall fliegt. Was tun? Die Drei ISS-Passagiere haben das Leck gestopft – mit einem Kaugummi. Größerer Weltraumschrott, erzählte Gerst, ist nicht so gefährlich. Der werde von der Erde aus „überwacht“: „Dann können wir ausweichen.“ Sagte es – und weg war er.

Die Wünsche der Kinder: Medizin für alle, unabhängig vom Geldbeutel, dass die Menschen zusammen halten sollen, Weltraumflüge für alle

Am Ende der 56. Raumfahrtexpedition werden Gerst und seine Crew über 100 Millionen Kilometer zurückgelegt haben. Die Zeitkugel, in die Gerst auch einen Wunsch hineingepackt hat – „als Überraschung“ -, wird er, wenn er zurück auf der Erde ist, nach Bonn bringen, ins Haus der Geschichte. Denn geöffnet werden darf sie erst in 50 Jahren. 2068 können die Kinder, die in diesem Jahr ihre Wünsche hinein getan haben, überprüfen, „was wir aus unserer Erde gemacht haben“.

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2 Kommentare

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  • Ich habe die ISS dieses Jahr öfter am Nachthimmel gesehen. Man konnte eh nicht schlafen bei dem Wetter.

  • Die ISS ist so gross wie ein Fussballfeld?? Wow...



    Gute Sache mit der Live-Show. Es ist sehr wichtig, bei allen, nicht nur der Jugend, das Interesse an der Forschung wach zu halten.