: HistorikerInnen gegen Geld für AfD-Stiftung
In einem offenen Brief an das Innenministerium fordern 3.000 UnterzeichnerInnen eine politische Überprüfung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung
Von Jonas Weyrosta
Die Provokation von Max Otte saß. Das CDU-Mitglied, das gleichzeitig dem Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung vorsitzt, setzte Anfang September einen Tweet ab. In Bezug auf die Ereignisse in Chemnitz schrieb er: „Werden die medial völlig verzerrt dargestellten Vorfälle von Chemnitz zum neuen Reichstagsbrand, zum Auftakt der offiziellen Verfolgung politisch Andersdenkender?“
Wissenschaftler, Vertreter von Opfergruppen und namhafte Leiter von Gedenkstätten haben daraufhin einen offenen Brief an Innenminister Horst Seehofer verfasst. Darin fordern sie ihn auf, die AfD-Stiftung überprüfen zu lassen. Die Finanzierung durch öffentliche Mittel stellen sie in Frage. Ottes Tweet sei „ein klarer Fall von Geschichtsrevisionismus“, heißt es in dem Brief, den mittlerweile fast 3.000 Unterstützer unterzeichnet haben. Mit seiner rhetorischen Frage setze Otte „Neo-Nazis, die in Chemnitz People of Color, Migrantinnen und Journalistinnen gewaltsam angegriffen und bedroht haben, mit den Verfolgten des Nationalsozialismus gleich“.
Zu den Erstunterzeichnern des Briefs zählen unter anderem Repräsentanten der Amadeu-Antonio-Stiftung und der Stiftung Topographie des Terrors.
Otte reagiert, wie man es von der AfD kennt: Auf Nachfrage der taz distanziert er sich von seinem Tweet. Aber nicht, ohne im gleichen Atemzug von „bezahlten Lobbyisten“ unter den Unterzeichnern zu sprechen. Eine Verfolgung Andersdenkender sehe er weiterhin, etwa in der „Diffamierung eines ganzen Bundeslandes – Sachsen“. Genauer wollte er auch auf Nachfrage nicht werden.
Melon Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, hat den Brief an Seehofer initiiert. Man kenne „die Täter-Opfer-Umkehr und eine Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen“ von der AfD – Steuergelder dürfe es dafür aber nicht geben.
Zöge die AfD in der nächsten Legislaturperiode erneut in den Bundestag ein, was nach jetzigem Stand wohl niemand bezweifeln dürfte, erhielte die rechtspopulistische Partei einen Anspruch auf jährlich rund 70 Millionen Euro für die Stiftungsförderung. Das geht aus dem „Gleichheitssatz“ eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 1986 hervor.
Mendel fordert, die AfD-Stiftung müsse umgehend „ihr Programm im Bereich historisch-politische Bildung, Holocaust-Erziehung und Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte offenlegen und von unabhängigen Experten prüfen lassen“. Mit Sorge beobachtet er „die geschichtsrevisionistischen Haltungen und Positionen aus dem Umfeld der Desiderius-Erasmus-Stiftung“. Mendels größte Angst: „Vor allem Jugendliche können nicht sofort erkennen, dass die Stiftung zur AfD gehört.“
Erika Steinbach, Vorsitzende der Stiftung und ehemalige CDU-Abgeordnete, wollte sich auf Nachfrage zur Kritik nicht weiter äußern. Vor wenigen Tagen schrieb sie in einem Leserbrief: „Ich wäre nicht Vorsitzende dieser Stiftung geworden, wenn auch nur ein Hauch davon in der Programmatik vorhanden gewesen wäre.“
Über die inhaltliche Ausrichtung der Stiftung ist wenig bekannt – abgesehen davon, dass sie die politischen Positionen der AfD in der Gesellschaft verankern will. Ein Blick auf Ottes Twitterfeed der letzten Tage lohnt sich, um zumindest das Weltbild des Kuratoriumsvorsitzenden zu verstehen. Einmal lobt er „die feine Intellektualität Alexander Gaulands“, dann dankt er dem amtierenden Verfassungsschutzpräsidenten für seine Äußerungen nach Chemnitz: „Danke, Hans-Georg Maaßen, für Ihre Haltung!“.
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