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Gartensiedlungen & Stadtklima„Eine schöne Debatte ist das nicht“

Die Linke hat ins Vereinsheim der Anlage „Treptow’s Ruh“ eingeladen: Diskussion über die Bedeutung von Kleingartenanlagen fürs Berliner Klima.

Hölle oder Himmel? Auf alle gut für das Klima einer großen Stadt wie Berlin Foto: dpa

Als Katalin Gennburg unlängst auf einem Recycling-Floß zu Elektro-Klängen für die Öffnung des Spreeparks demonstrierte, passte das perfekt zum Image der früheren Sprecherin der Nachwuchsorganisation der Linken, „Solid“, die heute die Linksfraktion in Sachen Stadtentwicklung, Tourismus und „Smart City“ vertritt. Aber Gennburg kann auch anders: Am Montagabend sitzt sie im Vereinsheim der Kleingartenanlage „Treptow’s Ruh“, ein Ort, wo schon die kleine Discokugel, die von der rustikalen Holzdecke baumelt, verwegen wirkt. Immer wenn jemand in den vollbesetzten Raum kommt, zieht hinten vom Tresen ein warmer Dunst aus Rauch und Bier herüber.

Gennburg ist direkte gewählte Abgeordnete für Treptow, und sie hat eingeladen, um mit Experten über die Bedrohung der Berliner Kleingärten zu sprechen. Der Ort ist nicht zufällig gewählt: Die 1903 gegründete Anlage im Ortsteil Plänterwald verliert Ende 2020 neben vielen anderen Kleingartenkolonien ihren Schutzstatus, der Berliner Flächennutzungsplan weist sie als Bau­erwartungsland aus. Wie lange hier noch gearbeitet und gefeiert werden kann, steht in den Sternen.

Die Stoßrichtung ist von Anfang an klar: „Ist Kleingartenbebauung nicht Klassenkampf von oben?“, fragt Gennburg. Sie betrachtet die Gartenparzelle nicht als „Ort, wo irgendwelche Leute an Hecken rumschnippeln“, sondern als Refugium für Menschen mit wenig Geld. Bei Klaus Neumann, Landschaftsarchitekt und emeritierter Beuth-Professor, rennt sie da offene Türen ein. Er findet, dass Kleingärten nicht nur ökologisch wichtig sind und einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit ihrer Pächter leisten – sie sind für ihn auch gesellschaftlich bedeutsam, ja ein „kulturelles Highlight“. „Könnten Berlins Kleingärten nicht zum Weltkulturerbe nominiert werden?“, fragt er provokant.

Günter Landgraf vom Kleingärtner-Landesverband sieht das naturgemäß genauso. Er ist auch an der Erstellung des neuen „Kleingartenentwicklungsplans“ beteiligt, den die Umweltverwaltung in Auftrag gegeben hat. So richtig optimistisch, dass das Ergebnis die Gärten wirklich schützt, ist er aber nicht. „Ich fürchte, dass am Ende das Thema Bauen und Wohnen vorgeht.“

Steht im Koalitionsvertrag

Dieses Thema repräsentiert in der kleinen Runde Staatssekretär Sebastian Scheel (Linke), der seine Worte mit viel Bedacht wählt. „Wir müssen auch dem Wachstum der Stadt gerecht werden“, sagt er, und: „Eine schöne Debatte ist das natürlich nicht.“ Die gute Nachricht sei: „Es gibt einen Koalitionsvertrag, und der sagt eindeutig, dass Kleingärten gesichert werden sollen.“

Das bringt Klaus Neumann ein bisschen auf die Palme. „Merken Sie gar nicht, dass Sie nur noch vom Sichern der Gärten reden und nicht davon, wie es mehr werden? Eine wachsende Stadt braucht auch ein Mehr an grüner Infrastruktur!“

An die meist älteren Anwesenden appelliert Günter Landgraf: „Wir müssen den Druck noch weiter erhöhen, und ihr in den Vereinen müsst den Mut haben, klimagerechte Gärten zu entwickeln!“ Deutlich lauteren Beifall bekommt da ein kämpferischer Satz von Katalin Gennburg: „Wenn es um den Wohnungsbau geht, wird immer gefordert, Gärten wegzubaggern. Warum sollten wir nicht erst mal Shoppingmalls abreißen?“

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