das portrait: Hendrik Weydandt erlebt eine Fußball-Aschenputtel-Geschichte
Sein neuer Arbeitsplatz führt ihn weit weg vom Bolzplatz. Hendrik Weydandt, 23 Jahre jung und neulich noch ganz normaler Amateurfußballer, ist jetzt Profi. Seine Geschichte macht bundesweit Karriere, weil sie einen Traum befeuert. Ich bin doch auch richtig gut, eines Tages werden sie mich entdecken, dann komme ich groß raus. Hände hoch: Wer hat diesen schönen Sportlertraum noch nicht gehabt? Weydandt erlebt eine solche Aschenputtel-Story im echten Leben. Und zwar beim Erstligisten Hannover 96.
Jede Sportgröße hat irgendwann einmal klein angefangen. Aber dass es Weydandt innerhalb der vergangenen vier Jahre von der Kreisliga erst in die Regionalliga und dann bis in die 1. Liga geschafft hat, lässt aufhorchen. Der frühere Stürmer vom TSV Groß Munzel war nie in einem Internat oder Nachwuchsleistungszentrum, in denen Talente heute ausgebildet werden. Für den BWL-Studenten und WG-Bewohner ging es nie darum, aus dem Sport einem Beruf zu machen. „Bis ich 18 war, wollte ich einfach nur mit den Jungs von der Schule im Dorfklub spielen“, sagt der 1,95 Meter große Angreifer. Dass er nie einem Talentspäher oder Berater aufgefallen ist, macht seinen steilen Aufstieg noch sonderbarer.
Für die etablierten Profis bei Hannover 96 muss das merkwürdig sein. Kommt da so ein völlig unbekannter Kicker um die Ecke, darf mal eben so bei ihnen mitspielen und schießt auch noch ein Tor nach dem anderen. Zwei Treffer im DFB-Pokal, ein weiterer in der Bundesliga nur 75 Sekunden nach seiner Einwechslung: Das klingt wunderbar und ist doch auch eine Art Majestätsbeleidigung. „Ich hätte es den Jungs nicht verübelt, wenn jemand von den erfahrenen Spielern gesagt hätte: Was will der hier?“, sagt Weydandt.
Ob das Märchen zur dauerhaften Erfolgsgeschichte taugt, bleibt abzuwarten. Weydandt glaubt, dass es Monate dauern wird, bis sich sein Körper an die höhere Belastung gewöhnt hat. Er nimmt sich fest vor: nicht nachdenken, so normal wie möglich weiterleben. „Im Moment wache ich morgens auf und denke: Oh, Bock auf Fußball.“ Es wäre Weydandt zu wünschen, dass er nie aufwacht und seinen Traum weiterlebt. Christian Otto
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