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Nachruf auf Dieter Thomas HeckDer Nachkriegsdeutsche

Dieter Thomas Heck personifizierte die „ZDF-Hitparade“ und war der Showmann der Wohlstandsjahre. Mit 80 Jahren ist er nun gestorben.

Dieter Thomas Heck moderiert die Sendung „Melodien für Millionen“, Archivbild aus dem Jahr 1984 Foto: dpa

Berlin taz | Wie würdigt man einen Mann, der wie kein anderer in der deutschen Unterhaltungsindustrie, wie niemand sonst in der bundesdeutschen Nachkriegskultur für das Spießige, das Kleinbürgerliche, das Peinliche und das Viel-zu-laute stand? Der gegen alle damalige Hipness deutschen Schlager beförderte, ja, ihn überhaupt erst machte, mit der „ZDF-Hitparade“ und Shows wie „Musik liegt in der Luft“, „Melodien für Millionen“? Der niemals Allianzen mit der Bild-Zeitung scheute, für die Welthungerhilfe warb und für Unicef?

Der schon visuell einen Typ Deutschen darstellte, mit dem unsereins, angehörig den Kräften des Guten, des Wahren und des Schönen, nie etwas zu tun haben wollte, weder als Nachbar noch sonstwo im Leben? Und der, welch Horror, äußerlich alles war, was man auf gar keinen Fall sein wollte: ein Mann mit fetter Armbanduhr, als sei er ein Angeber; Anzüge von stilistischer Übertriebenheit, ohne als grell zu missfallen; eine Brille von Indezenz, die seinen anstarrenden Blick, der nur hin und wieder ins Sentimentale rutschte, die fern der Niedlichkeit von in den Siebzigern modischen Nickelbrillen ausgesucht wurden.

Jedenfalls auch mit dem Befund: Er war ein Nachkriegsdeutscher, er war ein Mann, der sehr vermutlich stärker zu inkludieren – um ein Wort aus der modischen Sprache aus unseren Kreisen – wusste als die allermeisten der Geschmacks- und Bildungsbürger. Dieter Thomas Heck, dessen Leben nach vielen Jahren des gesundheitlichen Tributs an Kettenraucherei und Biertrinkerei, am Freitag im Alter von 80 Jahren endete.

Mit ihm konnte man sich im Guten wie im Bösen identifizieren: Dieter Thomas Heck wurde 1937 in Flensburg geboren und wuchs als Kleinkind in Hamburg auf. Dort überlebte einen Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg, verschüttet von Trümmern und kam mit einer Sprachstörung wieder ans Licht: Heck, das war ein Stotterer, einer, der in der Tat traumatisiert nicht mehr zur Sprache fand und es in ihr später schnell- und stakkatohaftsprechend zur Meisterschaft brachte: Er war der Radiomoderator bei Radio Luxemburg, beim Südwestfunk, bei der Europawelle Saar – ein amerikanisch aufgeladener, gutgelaunter Typ, wirklich frei von deutscher Melancholie und Radiotranigkeit.

CDU-Mann Heck

Und er tat dies auf Deutsch. Dieter Thomas Heck, schon als gelernter Autoverkäufer eine Megabegabung, pries deutsche Unterhaltungsmusik, „German Pop“, er verzichtete, durchaus mit dem Selbstbewusstsein des knapp im Krieg Überlebenden, des kämpfenden Schisshasen, der jeder Schlägerei, jeder Gewalt aus dem Weg ging, weil er durch sie schon genug Gepäck auf den Schultern hatte, auf Anbiederei an den anglophonen Zeitgeist. Und das hieß nicht, dass er antimodern war.

Heck präsentierte in seiner „ZDF-Hitparade“ alles, was heute als multikulturell gelten kann, den Libanesen Ricky Shayne, den Griechen Costa Cordalis, den Jugoslawen Bata Illic, die Französin Mireille Mathieu, die niederländischen Hippies Mouth & McNeal, den Tschechoslowaken Karel Gott, den schnulzenden Beatnik Michael Holm und die Discoprinzessin Marianne Rosenberg. Nur mussten sie ihr Tun auf deutsch präsentieren – Englisch, das waren der „Beatclub“, der „Musikladen“ und Ilja Richters „Disco“.

Und was ihn noch anticooler in unseren Zirkeln machte: Heck war, unmittelbar nach der Niederlage des Unionskanzlerkandidaten Rainer Barzel gegen die sozialliberale Koalition Willy Brandts 1972, Mitglied der CDU geworden, nicht einmal heimlich, sondern später für seine Partei wahlkämpfend: Dieter Thomas Heck focht wider den Zeitgeist, wobei man dies nicht als deutschnational, als militärkonservativ oder illiberal verstehen darf.

Erfolg im Mainstream

Dieser Mann hielt auf das, was man als deutsch phantasiert, Zuverlässigkeit, Loyalität und Pünktlichkeit – aber das in jeder Hinsicht liberal. Im Übrigen war er ein Geselliger, der seine Künstler*innen durchaus zum Exzess nach den Shows anregte, es mal tüchtig krachen zu lassen: ein Freundlicher, der neben Rainer Barzel Willy Brandt, für den er 1969 stimmte, zu seinen liebsten Politikern zählte.

Mit anderen Worten: Heck war, wie es meisten Deutschen gern sein würden – deutsch und doch weltoffen, ohne durch die Zumutungen der Weltläufigkeit sich unentwegt bedrängt zu fühlen oder gar überfordert. Dieter Thomas Heck hat seine beste Leistung in einigen Folgen der TV-Serie „Praxis Bülowbogen“ mit Günter Pfitzmann in der Hauptrolle. Er gab einen Verwandten des Doktors, geschäftlich gescheitert, von Scheidung bedroht, ratlos und verzweifelt.

Sein Spiel hatte die Qualität US-amerikanischer Mimen, die ihre Rolle nicht darstellen, sondern sind: Heck war ganz bei sich, ein Mann tosenden Optimismus', der einmal einen Verlierer, dem das Leben zum Verhängnis wird, spielen durfte. Er hat alles dafür getan, im wahren Leben dies nicht erleiden zu müssen.

Er lebte zuletzt in Berlin und Spanien, er war preisgekrönt, er wurde geehrt – und er freute sich über die Auszeichnungen, zurecht. Er war der populärste TV-Mann seiner Zeit, 15 Jahre lang 183 Mal die „ZDF-Hitparade“ und so viele andere Shows mehr. Millionen missgönnten ihm seinen Erfolg im Mainstream nicht. Er war schließlich einer von ihnen.

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2 Kommentare

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  • Dieter Thomas Heck wurde durch den Krieg die eigene Kindheit geraubt, wie der größten Gruppe seine Fans. Ruhe in Frieden!

  • Einer von ihnen.