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Streit um bayerisches FamiliengeldSPD-Minister bremst Hilfe aus

Bayern wollte Familien mit kleinen Kindern ein Familiengeld zahlen, das nicht auf Hartz-IV angerechnet wird. Arbeitsminister Heil gefiel das nicht.

Mehr Geld für Kleinkinder und das anrechnungsfrei? Nicht mit Hubertus Heil Foto: Nathan Dumlao/Unsplash

Berlin taz | Erneut steuern Bayern und Berlin auf einen scharfen Konflikt zu. Diesmal jedoch mit offenbar vertauschten Rollen. Im Juli hatte der bayerische Landtag beschlossen, für Familien im Freistaat mit ein- und zweijährigen Kindern ein Familiengeld einzuführen. Eltern sollen ab dem 1. September mit 250 Euro pro Monat und Kind unterstützt werden, ab dem dritten Kind mit 300 Euro monatlich. Das gilt unabhängig vom Einkommen – und soll nicht wie sonst üblich mit Sozialleistungen wie Hartz IV verrechnet werden.

Mehr Geld für von Hartz IV zermürbte Familien – das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium unter Hubertus Heil aber bremst. Die Süddeutsche Zeitung zitiert aus einem Brief von Heils Staatssekretärin an das bayerische Arbeitsministerium, laut dem die Weisung an die Jobcenter gegen geltendes Recht verstoße.

Das bayerische Arbeitsministerium hatte den Jobcentern befehligt, Hartz IV und das Familiengeld nicht aufzurechnen. Die Rechtsexperten der bayerischen Bundesagentur für Arbeit hatten das Familiengeld in vollem Umfang als anrechnungsfrei eingeordnet. Es sei doch „im Sinne der sozial schwachen Familien“, wenn das Familiengeld nicht auf Hartz IV angerechnet würde, heißt es laut SZ im Antwortschreiben der bayrischen Behörden.

Hindert also ausgerechnet ein SPD-Bundesminister die CSU-Regierung in Bayern daran, soziale Politik zu machen? Man wolle nur den „nicht erträglichen“ Zustand vermeiden, dass die Familien auf mehr Geld vertrauten und dies später dann wieder zurückzahlen müssten“, heißt es in einer Stellungnahme des Bundesarbeitsministeriums an die taz.

Man wolle den nicht erträglichen Zustand vermeiden, dass die Familien auf mehr Geld vertrauten und dies später dann wieder zurückzahlen müssten“, heißt es in einer Stellungnahme des Arbeitsministeriums

Nachdem das Familiengeld vom bayerischen Landtag verabschiedet worden war, habe die Bundesagentur für Arbeit das Bundesarbeitsministerium kontaktiert. Die Frage, ob das Fami­lien­geld als Einkommen anzurechnen ist, sei daraufhin „intensiv geprüft“ und bestätigt worden. Es müsste nur dann nicht anrechnet werden, wenn die Leistung eindeutig zweckgebunden wäre – was Bayern bekräftigt.

Wie die taz auf Anfrage erfuhr, wird sich die bayerische Arbeitsagentur der Auffassung des Bunds fügen. „Deshalb müssen sich die Kundinnen und Kunden darauf einrichten, dass die Jobcenter, die als gemeinsame Einrichtung arbeiten, diese Geldleistung auf Hartz IV anrechnen und gegebenenfalls auch zu viel gezahlte Leistungen zurückfordern“, so eine Sprecherin.

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14 Kommentare

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  • Da war die Erleichterung bei den Granden der CSU unübersehbar! Schließlich konnte die ganze Posse nun zur Zufriedenheit aller ( außer natürlich der ALG II Empfänger) geregelt werden.....

    Die Bayern können sich auf die Fahne schreiben, dass sie ja gerne nett zu Einkommensschwachen gewesen wären, mit dem sicheren Wissen, dass dies gegen geltendes Recht verstoßen würde und gleichzeitig der SPD den schwarzen Peter zuschieben, dass es nicht gemacht wird..... Perfekt!

    Interessant wäre gewesen zu beobachten, was Bayern denn gemacht hätte, wäre die Anrechnung ausgeblieben, schließlich war zu erwarten, dass eine Masse von ALG II Empfänger mit Kindern nach Bayern zieht, um mehr Geld zur Verfügung zu haben als im Rest der Republik, klassische Armutsflüchtlinge also.

    Was hätte Bayern getan? Die Grenze zu Baden Württemberg schließen? Zu Thüringen? Eine Bayernabstammung fordern? Das wäre doch sehr interessant gewesen......

    Und übrigens: wenn Bayern seinen Bürgern mehr Geld ohne Anrechnung auf Hartz IV geben will, können sie das nach wie vor machen, alles was passiert, ist, dass die Optionskommunen Gelder an den Bund zurück zahlen müssen. Aber an dem Punkt endet die Großzügigkeit selbstverständlich umgehend und das SPD Bashing beginnt....

    Popcorn gefällig?

  • Gibt es tatsächlich Leute, die nicht mitbekommen haben, das die "Wurfprämie" der CSU Gesetzwidrig ist?



    Die Hartz Gesetze (SGB II) gelten immerhin Bundesweit, so dass es sich Bayern nicht aussuchen darf, ob das Familiengeld auf Hartz IV angerechnet werden soll oder nicht, sondern laut Bundessozialgesetz angerechnet werden muss, denn eine Zweckgebundenheit wurde nicht genannt!

    Dieses Familiengeld sollte doch nichts anderes darstellen, als eine Wahlprämie für die CSU, ansonsten kann man sicher sein, wäre ein solcher Sozialhammer nicht von der CSU gekommen, denn deren Klientel liegt außerhalb derjenigen, die auf dieses Geld angewiesen sind!

    Wer mit solchen Methoden versucht die Gemeinschaft dieses Landes immer weiter zu spalten, nur um sich selbst bei den Wahlen bessere Chancen zu verschaffen, der ist es nicht mehr Wert sich Volkspartei nennen zu dürfen, auch nicht nur für Bayern!

    Es scheint den regierenden Parteien auch ohne solche Versuche schon schwer genug zu fallen gemeinsam zu regieren, wie man an dem Migrationsstreit mit der Kanzlerin vor ein paar Wochen sehen konnte, als Seehofer so massiv gegen jedweden Anstand gegen Berlin vorging, nur 3 - 5 Migranten an der österreichischen Grenze zurückweisen zu lassen!

    Die Politiker lassen so langsam aber sicher jedweden Anstand im Umgang miteinander fallen, wie fast täglich sehen kann. Bei vielen dieser Vorfälle ist deutlich zu erkennen, dass es den Einzelnen ausschließlich um die eigene Profilierung geht, wie man erst vor ein paar Tagen bei dem FDP Mann Kubicki erfahren konnte, als er der Kanzlerin die Schuld an den Ausschreitungen in Chemnitz gab!

    Jeden Tag der in dieses Land geht, kann man sich Fragen, wird man von der Politik überhaupt noch repräsentiert oder ist man zwischenzeitlich nur noch zum Wahl Vieh degradiert worden, denn so sehr man auch versucht etwas Positives an der Art dieser Regierung und wie sie Politik macht zu sehen, je stärker wird man enttäuscht, sollte man nicht zu deren Klientel gehören!!!

    • @urbuerger:

      Das bayrische Betreuungsgeld wurde aber auch nicht auf SGB II angerechnet.

      "Das SG Bayreuth hat mit Urteil vom 28.11.2017 – S 4 AS 363/17 entschieden, dass das bayerische Betreuungsgeld nicht im SGB II als Einkommen anzurechnen ist. Das Urteil findet auch Anwendung im SGB XII. "

      Und Sie verwechseln die Merkelschlafwagenmentalität mit früher. Als in meiner Kindheit hier Roland Koch zu Wahlkampfauftritten nach Frankfurt gekommen ist, war hier 10 mal mehr los als heute.

      • @Sven Günther:

        Das Betreuungsgeld hatte eine klare Zweckgebundenheit. Der Zweck steckt sogar im Titel.

  • 9G
    99663 (Profil gelöscht)

    "hindert also ausgerechnet ein spd-bundesminister die csu-regierung in bayern daran, soziale politik zu machen?" das kleinkindergeld-gießkannen-system der csu würde ich mal nicht wirklich als sozial bezeichnen wollen. man wollte dort halt von der auf eine weitgehend überholte familienpolitik abzielende wurfprämie ausnahmsweise mal auch diejenigen nicht explizit ausnehmen, die man sonst immer gern von den fleischtöpfen wegbeißt. dass der bund hier nun auch noch mauert, beweist wieder mal nur eines: der heil kommt zwar von der spd, das heil wohl nicht.

    • @99663 (Profil gelöscht):

      "Wurfprämie", was für ein widerlicher Begriff. Ist der auf Ihrem Mist gewachsen?

      • 9G
        99663 (Profil gelöscht)
        @Ebs69:

        aber nein, zu viel der ehre. der kursiert schon lange als synonym für die etwas schwächer intonierende "herdprämie". ich finde ihn nur ziemlich passend für den mist, den dieser volktümelnde csu-haufen da wieder mal anrührt.

  • Ich verstehe das Problem nicht. Die Riester-Rente wird doch auch angerechnet. Es gilt halt seit Schröder wieder der alte Spruch 'Wer hat uns verraten.....'

  • taz: "Hindert also ausgerechnet ein SPD-Bundesminister die CSU-Regierung in Bayern daran, soziale Politik zu machen?"

    Die SPD macht doch schon seit Gerhard Schröders Agenda 2010 keine soziale Politik für das Volk mehr, und deshalb versucht die CSU wohl in die Fußstapfen von Willy Brandt zu treten und weinigsten etwas soziale Politik für die kleinen Leute zu machen.

    taz: "Es sei doch „im Sinne der sozial schwachen Familien“, wenn das Familiengeld nicht auf Hartz IV angerechnet würde, heißt es laut SZ im Antwortschreiben der bayrischen Behörden."

    Bundesarbeitsminister Heil (SPD) weiß ganz genau, wenn er das Familiengeld (Kindergeld) in Bayern erlaubt, dass dann ein Dominoeffekt ausgelöst wird, und das kann der SPD-Minister natürlich nicht riskieren. Hartz IV Bezieher aus anderen Bundesländern würden dann nämlich die Frage stellen: „Warum bekommen die bayerischen Hartz IV Familien eigentlich Kindergeld, während uns das Kindergeld immer noch von unserem kläglichen Hartz IV Existenzminimum abgezogen wird?“

    Fazit: Für arme Menschen ist eben im reichen Deutschland kein Geld vorhanden.

  • Im Artikel ist mehrmals von einer bayrischen Bundesagentur für Arbeit die Rede. Das impliziert, dass sich hier eine Behörde des Freistaats mit dem Bundesministerium streitet. Das ist aber doch nicht der Fall.



    Außerdem vermisse ich einen Hinweis auf die rechtlichen Grundlagen, also die Stellen im SGB II, um deren Interpretation gestritten wird.



    So lässt mich der Artikel leider recht uninformiert zurück...

    • @Matthias Vernim:

      Doch das ist der Fall.

      Die BA ist in zehn Regionaldirektionen eingeteilt, die in Nürnberg ansässige Regionaldirektion ist ausschließlich für Bayern zuständig.

      • @Sven Günther:

        Es ist trotzdem eine Bundesbehörde, keine bayrische. Darum ging es mir.

  • Oh je! Herr Minister Heil. Das wird die bayerische SPD am 14. Oktober aber Wählerstimmen kosten. CSU und AFD werden lachen. Aber Sie sind ja nicht zum Spass hier...

    • @noevil:

      Die SPD wird in Bayern heuer definitiv einstellig. Frau Kohnen kann sich bei Herrn Heil für das kommende Unheil der Bayern SPD ganz herzlich bedanken. Eigentlich Schade, da mit Frau Kohnen endlich mal ein Hoffnungsträger erschienen war.. #facepalm