Lars Penning Filme aus dem Archiv –frisch gesichtet:
America First“ heißt die große Stummfilmreihe, mit der das Babylon Mitte bei freiem Eintritt in den kommenden Wochen beim Publikum punkten möchte. Dabei geht es nicht um Donald Trump, sondern um jene Jahre, in denen sich die USA als führende Kinonation etablierten. Das gelang den Amerikanern unter anderem mit Genrekino, das Bedürfnisse von Kinozuschauern in aller Welt befriedigte: Lachen über Komiker wie Harold Lloyd, dessen Filme wie „Safety Last“ (1923) immer auch Geschichten vom amerikanischen Traum waren, oder auch Gruseln vor Lon Chaney, dem Mann der 1.000 Gesichter, der die melodramatisch-tragischen Geschichten der von ihm verkörperten Hauptfiguren mit Spaß an plakativem Horror verband („Phantom of the Opera“). Der draufgängerische Douglas Fairbanks wiederum bedient die Lust am Abenteuerlichen: Die Piratengeschichte „The Black Pirate“ zeigt spektakuläre Stunts und ist einer der ersten in 2-Farb-Technicolor gedrehten Filme. Auch typisch amerikanische Genres wie der Western fanden mit Themen wie Gerechtigkeit und Pioniergeist letztlich Anklang in aller Welt: Mit „The Iron Horse“ (1924) drehte etwa John Ford den ersten epischen Western, der vom Bau der transkontinentalen Eisenbahn in den 1860er Jahren erzählt. Den dramatisierten Blick auf die historischen Ereignisse verbindet Ford mit der Geschichte eines Scouts, der mit seiner Arbeit für die Eisenbahn das Vermächtnis seines Vaters erfüllt und auf dessen Mörder stößt. Der epische Erzählimpetus erlaubt es Ford auch, seinen Helden einmal für eine halbe Stunde ganz aus den Augen zu verlieren und stattdessen vom Leben und Wirken der Bahnarbeiter zu erzählen: wie man ausländische Arbeiter anheuert, wie sie schuften, schwitzen und von Indianern überfallen werden. Tragisches und Heiteres liegen dabei stets eng beisammen, was dem Film eine sehr gelassene Grundhaltung verleiht – sogar im Umgang mit dem Tod („America First“, 30. 8.–9. 9., Babylon Mitte).
Vom Tod handelt auch die beim Festival von Venedig ausgezeichnete Parabel „Foxtrot“ von Samuel Maoz, in der ein erfolgreicher israelischer Architekt fälschlicherweise darüber informiert wird, dass sein Sohn bei einem Militäreinsatz gefallen sei. Die wenig später eintreffende Nachricht, man habe sich geirrt, ist in Maoz’ Film kein Grund zum Aufatmen: Mit untrüglichem Sinn für richtig bittere Pointen wird hier – auch als Gleichnis für den Staat Israel – das Image eines stets starken Mannes demontiert, der sich keine Schwächen erlauben mag und daran langsam zugrunde geht (OmU, 30. 8., 12.40 Uhr, B-ware! Ladenkino, 5. 9., 19.15 Uhr, Filmmuseum Potsdam).
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