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Lichte Durchlässigkeit zwischen innen und außen

Die Norman Foster Foundation in Madrid unterstützt eine junge Generation von Architekt*innen, Stadt­planer*innen und Designer*innen dabei, ihre Ideen zur Zukunft des Bauens zu formulieren und Materialien zu erforschen

Von Renata Stih

Der Architekt Sir Norman Foster ist in Deutschland vor allem durch seinen spektakulären Umbau des Berliner Reichstags bekannt, ist dessen gläserne Kuppel doch inzwischen eines der Wahrzeichen der Stadt. Das transparente Konstrukt, in dem sich die Besucher*innen spiralartig in die Höhe bewegen und von oben in den Sitzungssaal des Parlaments blicken können, gilt als Synonym für die Wechselwirkung von Demokratie und Architektur und kann als insgeheimes Denkmal der Wiedervereinigung gesehen werden. Aber auch anderswo werden seine Gebäude zu Wahrzeichen, etwa in der Londoner City das the gherkin, also „Gewürzgurke“, genannte Bürogebäude 30 St Mary Axe.

Norman Foster gehört zu den Stars der zeitgenössischen Architektur. Sie scheint vor allem die Form ihrer Gebäude zu beschäftigen, deren Kons­truktion den Ingenieuren obliegt und damit auch der Großteil der wirklich wichtigen Fragen gegenwärtigen Bauens. Norman Foster freilich interessieren diese Fragen auch. Als ihm 1999 in Berlin der Pritzker-Architekturpreis verliehen wurde, hat er daher das Preisgeld von 100.000 Dollar für den Aufbau einer gemeinnützigen Stiftung verwendet. Die weltweit tätige Einrichtung ist in Madrid, im eleganten Stadtteil Chamberi, angesiedelt. Aus Madrid stammt auch seine Frau, Elena Foster, mitverantwortlich für die Stiftungsinitiative. Die Norman Foster Foundation fördert junge Student*innen und Ar­chi­tek­t*innen, vergibt Reisestipendien und hat eine Gastprofessur an seiner Alma Mater, der Yale University, eingerichtet. Kolleg*innen wie Tatiana Bilbao, Zaha Hadid oder David Chipperfield haben hier unterrichtet. Seit letztem Wintersemester 2017/18 werden auch jährlich Stipendien an junge, internationale Architekturstudent*innen vergeben, die mit einem mehrwöchigen Aufenthalt in der Stiftung in Madrid verbunden sind.

Deren besonderes Anliegen gilt der Materialforschung. Wenn alle über das Klima reden, auch die Architekten, dann liegt im Material und seinem Einsatz ein wesentlicher Schlüssel zum klimagerechten Bauen. Themenbezogene Konferenzen und Workshops im Madrider Stiftungsgebäude tragen dazu bei, entsprechende Fragestellungen und Forschungen nach außen und an die Politik zu kommunizieren.

Im Juni fand etwa ein mehrtägiger Workshop über die Zukunft der Städte statt, wo Studierende aus aller Welt mit prominenten Fachleuten über gesamtgesellschaftliche Belange, Ästhetik, Ökologie und Ökonomie diskutierten. Die Tagung wurde von der Bloomberg Stiftung unterstützt, deren Firmensitz in London Norman Foster baute. Auch so können Synergieeffekte aussehen.

In der prächtigen Stadtvilla der Jahrhundertwende, in der die Stiftung residiert, werden sein Arbeitsarchiv, seine Bibliothek und seine vielschichtigen Kunst- und Objektsammlungen aufbewahrt. Sie zeigen Fosters Interesse für die Wechselwirkung von Architektur, Design, Technologie und Kunst: Im mehrstöckigen Gebäude verteilt sind Zeichnungen, Modelle, audiovisuelle Bilder von Projekten, Orten und Menschen sowie Skulpturen und Gemälde inszeniert. Sie dokumentieren auch das Gesamtwerk Fosters als Architekt und Ingenieur.

Dazu gehören humanitäre Zukunftsvisionen wie ein Flugplatz für Drohnen, die medizinische Ausrüstung in entlegene Gebiete in Afrika bringen könnten oder utopische Projekte, wie ein Weltallflugplatz für den Unternehmer Richard Branson oder auch Zeichnungen und Fotos des Jaffe-Hauses (Sky­break House), das aus Stanley Kubricks Film „Clockwork Orange“ bekannt ist.

Wenn alle über das Klima reden, dann liegt im Material ein Schlüssel zum klimagerechten Bauen

Dazwischen sind Kunstwerke und skurrile Objekte dialogisch platziert, ein Bild von Josef Albers, der Nachbau von Buckminster Fullers Dymaxion Car oder das legendäre Auto Le Corbusiers, der Voisin C23, mit dem sich der Architekt gern vor seinen Gebäuden ablichten ließ. Auch Kunst am Bau wird gefördert, wie gleich im Eingangshof sichtbar wird, wo die Bildhauerin Cristina Iglesias einen geschichteten Baldachin am Gebäude installiert hat.

An die denkmalgeschützte Villa ist im Innenhof ein Ausstellungsraum in Form eines Glaspavillons angedockt, wo laminierte Glaswände als Struktur verwendet werden, um ein Stahl- und Glasfaserdach ohne sichtbare Stütz­mittel zu halten. „Im Laufe der Jahrzehnte habe ich die Technologie der Materialien, insbesondere Glas, vorangetrieben, um eine Architektur aus Licht und Leichtigkeit zu schaffen, die die Grenzen zwischen Innen- und Außenraum auflöst“, sagt Foster.

In Venedig ist dieses Prinzip auf der Architektur-Biennale zu bewundern, in Fosters Entwurf für den Vatikan. Sichtlich unkompliziert öffnet sich seine Kapelle aus kreuzförmigen Stahlträgern und verspannten Holzspalieren der umgebenden Natur.

Norman-Foster-Stiftung: www.normanfosterfoundation.org

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