: Scheitern als Standort
Glanz und Elend (in) der selbsternannten Metropole: das Musical wider Willen „König der Möwen“ auf Kampnagel
Von Alexander Diehl
Sie waren sich darüber im Klaren: Sich hinzustellen, als Teil der Hamburger Kulturlandschaft, und eben deren zunehmende Event-Werdung zu geißeln – es hat seine Tücken. Vom Scheitern der Distinktion, von der Tragik der widerständigen Pose handelt es ja auch, dieses Musical, das keines sein will, vom Popstar Andreas Dorau und dem Musik- und Managementimpresario Gereon Klug.
Wenn da einer namens Hans (Andreas Schröders) seinen Laden „Rillenreiter“ im Schanzenviertel betreibt, mehr schlecht als im Sinne der Handelskammer-Zeitschrift vorbildlich: Muss nicht „Hans E. Platte“ Pate gestanden haben, jenes Pseudonym, unter dem Klug jahrelang famose Newsletter-Präambeln verfasste – für einen Plattenladen, nicht im Schanzen-, aber gleich nebenan, im Karoviertel? Und wenn dieser echte Laden exklusiv „Musik von hier“ anbietet: Wie unbekümmert lässt sich da lästern übers Standortgehuber der anderen?
Da hat man sich mit in den Blick zu nehmen, und das passiert hier ja auch: „Der König der Möwen bringt Hans an einen Ort namens Hamburger Keller“, hat Klug der taz erzählt, wo „alles miteinander zusammenhängt. Da feiern die Schweine mit den Guten, links mit rechts, unten mit oben. Ohne die einen gäbe es die anderen nicht.“
Das Personal schrammt schon mal hart an der Karikatur entlang: Da gibt es etwa den prekär lebenden Musikjournalisten (Regisseur Patrick Wengenroth). Oder Hans’alte Liebe Katja (Eva Löbau), die ihm im Auftrag der Hamburg-Marketing ein unmoralisches Angebot macht. Oder den „Ex-Underground-Popstar“ Andre Winter (Daniel Hoevels), der radikale Reden schwingt und „nur noch Theater“ macht. (Popmusiker, die sich ans Staatstheater flüchten: Klingelt da nicht was?)
Mal präzise, mal arg grob gezeichnet ist das, sehr unterhaltsam – und erfreulich frei von den ganz simplen, den falschen Antworten.
Sa, 11. 8. 19 + 22 Uhr; So, 12. 8., 19 Uhr, Kampnagel/K1. Für alle Vorstellungen gibt es bestenfalls Restkarten.
Konzert mit Andreas Dorau und Socalled: Do, 16. 8., 22 Uhr
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