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Kommentar Abschiebungen nach SpanienEine Frage der Glaubwürdigkeit

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Innenminister Horst Seehofer feiert die Vereinbarung mit Spanien als „Erfolg“. Dabei ist der Deal nichts als Grenz-Micromanagement.

Spanien ist derzeit das EU-Land, in dem die meisten Migranten ankommen Foto: reuters

M an weiß nicht so recht, ob man Seehofer mittlerweile ernsthaft bedauern sollte. Erst legt er sich ständig mit der Kanzlerin an, dann mit weiten Teilen der CDU, schließlich mit der eigenen CSU sowie mit der SPD. Und nun auch noch mit der Glaubwürdigkeit.

Ja, richtig gelesen, mit der Glaubwürdigkeit. Oder wie soll man seinen neuesten Coup, das ab Sonntag gültige Rückführungsabkommen mit Spanien, bezeichnen, wenn nicht als grandiosen Fake?

Der Reihe nach: Geflüchtete, die in Spanien einen Asylantrag gestellt haben und später nach Deutschland kommen, sollen innerhalb von 48 Stunden in das iberische Land zurückgebracht werden. Die Gruppe, die von diesem „Erfolg der Migrationspolitik“ betroffen sein dürfte, ist bislang erstaunlich klein. Denn das Abkommen gilt nur für diejenigen, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden. Expert*innen sprechen von gerade mal etwa 100 Geflüchteten in den ersten Monaten dieses Jahres.

Man muss sich das bildlich vorstellen: Eine, sagen wir eritreische Familie kommt mit dem Boot aus Libyen über das Mittelmeer nach Spanien, ist erschöpft, müde, desorientiert. Die Erwachsenen stellen für sich und die Kinder in einer spanischen Erstaufnahmeeinrichtung einen Asylantrag. Was machen sie dann? Machen sie sich umgehend auf den Weg nach Deutschland? Wie kommen sie dorthin? Mit dem Zug? Mit dem Flugzeug? Zu Fuß? Woher haben sie das Geld für die Tickets?

Sie ziehen trotzdem los und kommen – was für ein Zufall – ausgerechnet an der deutsch-österreichische Grenze an. Dort werden sie von den Behörden festgehalten und binnen von zwei Tagen nach Spanien zurückgeschickt. Aber nur die Eltern. Denn für Kinder gilt die neue Regelung nicht.

Merkel in Spanien

Am Samstag kommt Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Spanien, um mit Ministerpräsidenten Pedro Sánchez unter anderem das Migrationsthema zu besprechen. Spanien ist das neue Hauptziel der nach Europa drängenden Migranten aus Afrika. Das Land begegnet den Neuankömmlingen bisher mit ungewöhnlich offenen Armen. (dpa)

Zugegeben ein drastisches und unrealistisches Szenario. Wer ernsthaft nach Deutschland gelangen will, versucht das unbemerkt. Kritiker*innen bezeichnen Seehofers „Rückführungsabkommen“ deshalb zu Recht als „heiße Luft“ und „Lachnummer“.

Spanien erwartet für diesen Deal bislang keine Gegenleistung. Wozu auch? Was sollte Seehofer dem Land auch bieten? Die wahren Herausforderungen erwarten den Innenminister ohnehin bei Verhandlungen zu Rückführungsabkommen mit Italien und Griechenland. Das weit nach rechts gerückte Italien hat seine Asyl- und Migrationspolitik heftig verschärft, am liebsten würde es alle Geflüchteten dorthin schicken, wo sie hergekommen sind. Oder irgendwohin in Europa, Hauptsache weg. Und Griechenland, so ist aus dem Innenministerium zu hören, dürfe man jetzt nicht mit solchen Themen belästigen. Das Land habe wegen der Waldbrände genug zu tun.

Und dann sind da auch noch all die notwendigen Gespräche mit Staatschefs von Ländern wie Nigeria, Ghana, Senegal, Tschad, Jemen. Von dort Geflüchtete haben hierzulande kaum oder keine Chance auf Asyl. Die Menschen fliehen trotzdem aus ihren Ländern – aufgrund von Dürre, Hungersnöten, Armut. Wenn sie nicht in einem anderen afrikanischen Land „hängen bleiben“, versuchen sie nach Europa zu kommen. Und von hier werden sie alsbald zurückgeschickt.

Diese Kreisläufe sind für die Betroffenen grauenhaft, ein unnötiger Leidensweg und vergeudete Lebensenergie. Das zu ändern, ist eine enorme Aufgabe für Innenminister Seehofer. Eine überaus harte Nuss. Man kann Seehofer wirklich bedauern.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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5 Kommentare

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  • "Denn das Abkommen gilt nur für diejenigen, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden."

    Also wer von Spanien nach Österreich fahren will, fährt sicher nicht über Österreich! Das liegt aber wohl daran, das NRW und RLP gar nicht in der Lage wären, Grenzkontrollen einzuführen.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Also mir wird der Seehofer langsam richtig sympathisch.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Naja, es ist ein Anfang. Entsprechende Abkommen mit anderen Ländern werden folgen. Seehofer ist auf dem richtigen Weg.

    Aber lieb von der taz, dass sie auf Mutti Merkels Seite steht.

  • Vielleicht sind meine Geographiekenntnisse etwas eingerostet, aber warum sollte man von Spanien kommend, die Grenze Deutschlands über Österreich passieren?

    Wir haben eine 448 km lange, praktisch unbewachte Grenze mit Frankreich, das sind doch hunderte Kilometer Umweg und man muss mindestens 2 weitere Landesgrenzen passieren, was die Entdeckungsgefahr erhöht.

    Oder geht es vielleicht darum, daß unsere Grenze zu Österreich zufälligerweise Bayern ist?

    • @Sven Günther:

      Habe auch ganz kurz an meinen Geographiekenntnisse gezweifelt, komme aber auf die gleiche Route:-)



      Niemand kommt von Spanien über Österreich nach deutschland