Anna Klöpper Der Wochenendkrimi: Maximal frustrierend und deshalb sehr gescheit
Kleine Warnung vorneweg: Dieser neue „Polizeiruf“ aus München ist maximal frustrierend. Nicht etwa, weil er besonders schlecht gemacht wäre, eher ist das Gegenteil der Fall. Nein, man ist am Ende einfach so furchtbar wütend auf sämtliche ProtagonistInnen, das man schreien möchte, und wahrscheinlich ist genau das auch die Absicht hinter diesem gescheiten Film.
Man ist also wütend auf diese Typen vom Verfassungsschutz, die ohne Rücksicht auf Verluste, sprich: ohne Rücksicht auf das Leben des jungen Deutschiraners Farim Kuban (Jasper Engelhardt), versuchen, diesen als Spitzel in die Münchner Neonazi-Szene einzuschleusen. Man ist wütend auf die Machtlosigkeit von Kommissar von Meuffels (Matthias Brandt), der sich vom Verfassungsschutz vorführen lassen muss.
Man ist wütend auf Kuban, der sich in seiner Gutgläubigkeit gegenüber den Institutionen zu spät selbst retten will. „Ich kann ja zur Polizei gehen“, sagt er zu von Meuffels, als der ihn davor warnt, sich mit dem Verfassungsschutz einzulassen, weil der ihn nicht vor seinen Neonazi-Freunden schützen werde. Pah, lacht von Meuffels. Ob er eigentlich wisse, wie viele Sympathisanten seine rechten Kumpels bei der Polizei hätten? „Das überlebst du nicht“, sagt der Kommissar.
Kurz zum Verständnis: Der Fall beginnt damit, dass von Meuffels einer weinenden jungen Frau (Ricarda Seifried) auf dem Polizeirevier ein Taschentuch reicht. Die behauptet, von einem Geflüchteten beinahe vergewaltigt worden zu sein. Kuban und seine Freunde seien ihr zu Hilfe gekommen.
Tatsächlich prügeln Kuban und seine Freunde den Geflüchteten tot. Von Meuffels buchtet die ganze Gang daraufhin in Untersuchungshaft ein – doch schwupps sind die alle wieder draußen. Dem Verfassungsschutz sind Infos über die rechte Münchner Szene wichtiger, als dass ein Mord an einem Asylbewerber aufgeklärt wird. Und Kuban, das war die Bedingung für die Freilassung, soll diese Infos nun liefern. Koste es, was es wolle. „Sie ermöglichen der rechten Szene ja überhaupt erst, dass sie so existieren kann!“, schreit von Meuffels außer sich den Verfassungsschutzmann Röhl (Joachim Król) an.
Da wird dann noch alles mögliche gestreift in diesem „Polizeiruf“: die Intellektualisierung der rechten Szene. Diese wieder salonfähig gewordene braune Soße, der „Rechtsruck“ in der Gesellschaft, über den von Meuffels bloß lakonisch bemerkt: „Wer ist denn nicht braun heutzutage?“ Ja, es ist wirklich zum Schreien.
München-„Polizeiruf 110“: „Das Gespenst der Freiheit“; So., 20.15 Uhr, ARD
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