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Bundesmittel zur ExtremismuspräventionJackpot für den Stasiknast

Die Gedenkstätte Hohenschönhausen erhält unerwartete Förderung vom Bund – 5 Millionen Euro für Projekte gegen Linksextremismus.

Eigentlich soll die Gedenkstätte Hohenschönhausen der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit dienen Foto: dpa

Berlin taz | Die Themen Extremismus, Gewalt und Hass sind traditionell beim Bundesfamilienministerium angesiedelt. Gut 120 Millionen Euro werden dort zur Bekämpfung demokratiegefährdender Bestrebungen bereitgestellt. Abgerufen werden sie vornehmlich für Projekte gegen islamistischen Extremismus und Rechtsextremismus.

Programme zur Linksextremismusprävention haben in den vergangenen Jahren nur einen geringen Teil der Fördergelder verbraucht, zuletzt 2017 gut eine Million Euro. Dieser Betrag soll sich nach dem Willen der Bundesregierung in Zukunft offenbar vervielfachen. Nur scheint kaum jemand in die Pläne eingeweiht zu sein, nicht einmal die unmittelbar Beteiligten.

„Die benannte Summe ist in unserem Haus bis dato nicht bekannt gewesen.“ „Unser Haus“ ist die Senatsverwaltung für Kultur, deren Chef, Klaus Lederer (Linke), qua Amt Aufsichtsratsvorsitzender der Stiftung Gedenkstätte Hohenschönhausen ist. Die Summe sind 5 Millionen Euro, die der Haushaltsausschuss des Bundestages auf Antrag der Fraktionen der CDU und SPD der Gedenkstätte zur Verfügung stellt.

Das Geld soll der „Aufklärung von Argumentations- und Aktionsfeldern des gewaltbereiten linken Ex­tremismus, der Erforschung der Ursachen linksmilitanter Gewalt sowie der Prävention“ dienen. So steht es zumindest im Bericht des Ausschusses vom 2. Juli dieses Jahres. Über die Verwendung der überraschend aufgetauchten fünf Millionen Euro hat man sich im Hause Lederer naturgemäß noch keine Gedanken gemacht – und war bis Mittwochnachmittag auch zu keiner weiteren Stellungnahme in der Sache bereit.

Kritik an der Entscheidung

Weniger zurückhaltend äußert sich Ulla Jelpke, Parteifreundin des Senators und innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag: „Die Arbeit der Gedenkstätte hat mit seriöser politischer Bildung nicht das Geringste zu tun. Es liegt auf der Hand, dass die Gedenkstätte diese fünf Millionen nicht für ernsthafte Projekte verwendet. Das kann die Gedenkstättenleitung überhaupt nicht, die kann nur polarisieren und emotionalisieren.“

June Tomiak, Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus für die Grünen und Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, kommentiert die Zulage für die Gedenkstätte knapper, aber nicht weniger deutlich mit: „Mehr als fragwürdig.“ Allein, dass Engagement gegen rechts und Kapitalismuskritik im Bildungsprogramm der Stiftung als linksextreme Phänomene abgetan würden, wäre Grund genug für die fortgesetzte Kritik an den entsprechenden Projekten. „Alle Seminare zu diesen Themen stellen schon durch die Örtlichkeit einen Bezug zu DDR und Stasi-Unrecht her“, bemängelt Tomiak.

Den Haushalt der Gedenkstätte würde der Geldsegen mehr als verdoppeln

Die Gedenkstätte ist eine Landesstiftung, die gemeinsam von Bund und Land institutionell gefördert wird, in einer Gesamthöhe von rund 4,8 Millionen Euro pro Jahr. Der Haushalt der Gedenkstätte würde sich mit dem überraschenden Geldsegen also mehr als verdoppeln. Bereitgestellt werden die 5 Millionen im Haushalt des Gewalt- und Extremismuspräventionsprogramms „Demokratie leben“ des Bundesfamilienministeriums. Die darin vorgesehene Förderhöchstsumme beträgt im Regelfall 130.000 Euro pro Kalenderjahr und Projekt.

Wie die 5 Millionen unter diesen Förderbedingungen überhaupt abgerufen werden können, darüber befindet sich die Stiftung der Gedenkstätte nach Auskunft eines Sprechers in der Abstimmung mit dem Familienministerium. Theoretisch steht das Geld nun zwar zur Verfügung, muss aber für konkrete Projekte aus dem Topf heraus beantragt werden: „Wie das umgesetzt werden soll, ist bislang nicht geklärt. Die Gedenkstätte würde gern die Erforschung der Ursachen und Erscheinungsformen des Linksextremismus verbessern und zugleich die Präventionsarbeit ausbauen, wobei alle Formen extremistischen, antidemokratischen Denkens thematisiert werden sollen.“

Die Überlegungen scheinen jedoch für eine Antragstellung weit genug fortgeschritten zu sein, wie eine Sprecherin des Ministeriums der taz bestätigt: „Dem BMFSFJ liegt ein Förderantrag der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen vor. Dieser wird aktuell geprüft.“ Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen.

Mehrjährige Förderung abgelehnt

Für dieses geplante und wahlweise spruchreife, völlig unbekannte oder noch abzustimmende Paket wollten die Unionsvertreter bei den Beratungen im Haushaltsausschuss des Bundestages gleich eine institutionelle Förderung, also einen jährlich wiederkehrenden Topf, einrichten. Hier hatte jedoch die SPD-Seite Zweifel, woraufhin man sich auf den Kompromiss einer einmaligen Förderung einigte.

Svenja Stadler, SPD-Obfrau des Unterausschusses für bürgerschaftliches Engagement, verweist in diesem Zusammenhang auf die wiederholten Berichte über Zerwürfnisse im Umfeld der Stiftung, bei denen es auch um AfD-Kontakte geht und die inzwischen sogar die Zusammenarbeit mit ihrem Förderverein auf Eis gelegt hat. Angesichts dessen erläutert Stadler: „Für eine institutionelle Förderung hatte ich Bedenken und bin froh, das wir das abwenden konnten.“

Ulla Jelpke deutet den ganzen Vorgang als „eine kaum verdeckte Subventionierung der Gedenkstätte“ und schließt: „Wenn sie das Gespenst des Kommunismus jagen wollen, sollen sie eine Geisterbahn bauen, damit wäre das Geld besser angelegt.“

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6 Kommentare

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  • Hohenschönhausen ist eine zwiespältige Angelegengheit. Es ist ein furchtbarer Ort, der die Grausamkeiten an den Verfolgten, Unangepaßten und Gegnern des untergegangenen DDR-Regimes dokumentiert (was ka kein Gesopenst war) und deswegen erhalten und zugänglich sein muss. Andererseits ist er ein Paradebeispiel, wie Aufarbeitung politisch vereinnahmt werden kann und durch starre Undifferenziertheit bestimmt wird. Die DDR-Aufarbeitung ist von Beginn an im zivilgesellschaftlichen Raum (nicht unbedingt in der Wissenschaft) von konserativen Akteuren bestimmt worden, oftmals Häftlinge der 50er und 60er Jahre und Ausreiseantragssteller späterer Zeit, die wegverhaftet wurden. Ihre biographischen Erfahrungen machten sie im Westen und nach der Wende rasch anschlussfähig an konserative Kreise. Ihre Organisationen, wie der OdS, wurden schnell als die Opferverbände anerkannt, sie besetzten die Beiräte, Kuratorien und Stiftungsvorstände der Gedenkstätten. Andere Opfergruppen, wie die unangepassten Jugendszenen der 70er und 80er, die Menschenrechts-, Friedens- und Umweltgruppen haben sich in der Zeit meist zurückgehalten - entweder waren sie mit den Nachwendeprozessen beschäftigt oder habe einfach endlich ihr unabhängiges, freies Leben genossen. Erklärlich, dass der antikommunistische Anklagemodus dadurch der bestimmende Sound der Debatte wurde, befeuert durch die IM-Debatte (die m.E. eher von einer wirklichen Analyse der Macht- und Verantwortungsstruklturen ablenkt, aber das führt hier zu weit). Hinzu kommt, dass zunächst Aufdeckung Erzählung im Zentrum stand und dies von oben erfogte. Die Geschichte von unten wurde wenig erzählt, immerhin gibt es aber auch lange schon Initiativen hierfür, in der Havemann-Gesellschaft oder hier im Thüringer Archiv für Zeitgeschichte. Doch sie stehen nicht so im Fokus wie die offiziellen Gedenkstätten. Seit den 00er Jahren verändert sich dies etwas, zumindest in der zeitgeschichtlichen Forschung bekomt die Analyse, die Alltagsgeschichte .. (Teil1)

    • @Hans aus Jena:

      Teil2 ... und der gesamtosteuropäische Blick mehr Raum. Hubertus Knabes Sicht spielt hier zurecvht kaum noch eine Rolle. Dies spiegelt sich jedoch kaum in der Gedenkstättenarbeit wieder, die ist in den 90ern stehengeblieben, auch pädagogisch werden kaum andere Wege beschritten. Sie blieben die Bastion der Konservativen, geschützt von der CDU (auch hier in Thüringen haben wir gerade dieses Problem mit der Gedenkstätte Point Alpha und ihren CDU-dominierten Beirat), einzelne Akteure sind mittlerweile anschlussfähig an die AfD. So wundert mich die jetzige Förderung nicht.



      Aber eine Sache wird eben auch deutlich: die linken Kräfte haben die Aufarbeitung den Konsrativen eben auch einfach überlassen. Thomas Klein z.B. von der damaligenbn Vereinigten Linken hatte in der taz 1990 mal geschrieben. man sollte den Arbeiteraufstand 1953 in die linke Traditionslinie holen, er hat damals nur Shitstorm gerntet. Diese linke Unwilligkeit sich mit den Gespenstern und Realtäten der Vergangenheit zu beschäftigen, führt eben auch dazu, dass die Geschichtpolitik immer wider gegen sie verwendet werden kann.

  • Ein gewisses Verständnis habe ich schon, dass Leute, die „links“ angesiedelt sind, unter „Extremismus“ automatisch „Rechtsextremismus“ verstehen und „Linksextremismus“ entweder nicht sehen wollen oder rundweg abstreiten.



    Wenn Frau Jelpke vom Kommunismus als „Gespenst“ spricht, wie weiland Karl Marx, blendet sie aus, dass dieses „Gespenst“ zwischenzeitlich jahrzehntelang „materielle Gewalt“ war: Über die Hälfte aller Staaten experimentierten mit Sozialismus/Kommunismus! Die (linksextremistische!) RAF wollte diese Gesellschaftsordnung mit der marxistisch-leninistischen Ideologie und mit Waffengewalt auch in der (alten) BRD einführen. Zum Glück gelang das nicht.



    Aber deren ehemalige Vertreter gelten in einschlägigen Zirkeln sozusagen als „Helden der Revolution“! Wer garantiert denn, dass junge Menschen von heute, die nie Kommunismus in der Praxis erlebt haben, nicht diesen „Helden“ nacheifern wollen, um deren Werk zu „vollenden“?



    Wehret den Anfängen!

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      Das ist wirklich eine abstrakte Sorge und die versammelten Linksradikalen werden sich tot lachen.

      Es gab ja auch mal so ein Sorgen- und Ausstiegstelefon für Linke analog zu Exit oder anderen Programmen für Nazis.

      Hat nur keiner angerufen. Linksradikale ticken anders als Nazis. Da verfällt man nicht der Feme wenn man aussteigt. Man muss gar nicht aussteigen,. man macht einfach nicht mehr mit und kann trotzdem noch mit den Genossinnen befreundet sein.

      Das die RAF jemals hätte erfolgreich sein können, das ist so ausgeschlossen wie eine Radtour zum Mond.

      Und dass jetzt diese Gedenkstätte mit Naziproblem Geld bekommt für den Kampf gegen links, das hat schon ein Gschmäckle.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        „Und dass jetzt diese Gedenkstätte mit Naziproblem Geld bekommt . . .“



        Verstehe ich nicht. Worin soll das „Naziproblem“ bestehen? Als die DDR-Machthaber 1949-1989 Leute einsperrten, die sie als ihre „Feinde“ ausgemacht hatten, war die Zeit des Faschismus (1933-1945) längst vorbei! Und wie schon in der Bildunterschrift korrekt vermerkt ist, geht es in der Gedenkstätte Hohenschönhausen um die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit!

      • 9G
        90118 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        Sehe ich auch so, ausserdem sollten heutige Benutzer des Begriffes Marxismus vorher Marx lesen.