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Kohl wird wieder Ehrenbürger

Ludwigshafen würdigt die „überragende politische Gestalt“ des einstigen Bundeskanzlers. Die Grünen im Stadtparlament wollen das nicht. Denn Kohls Haltung im Spendenskandal sei „nicht mit den Gesetzen der Bundesrepublik kompatibel“

Die entscheidende Abstimmung war ein Kuhhandel vonCDU und SPD

AUS LUDWIGSHAFEN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Wenn Helmut Kohl an diesem Freitag aus der Hand der Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) die Ehrenbürgerurkunde seiner Heimatstadt überreicht wird, dürfte die Stimmung nicht ganz ungetrübt sein. Bei der Feier im Rathaus werden die 3 Stadtverordneten der Grünen fehlen, die entschieden gegen die Verleihung sind. Schon im Oktober 2004 stimmten sie im Stadtparlament gegen den entsprechenden Beschlussantrag der CDU und haben nun, da sie die Aktion nicht verhindern konnten, ihr Fernbleiben angekündigt.

Der ehemalige Bundeskanzler und Bundesvorsitzende der CDU Helmut Kohl wurde in Ludwigshafen geboren und lebt bis heute im Stadtteil Oggersheim.

Die Begründung des rheinland-pfälzischen Landtagsabgeordneten und grünen Fraktionsvorsitzenden im Stadtparlament, Bernhard Braun, für den Boykott ist die gleiche wie vor knapp einem Jahr bei der Abstimmung: Kohl weigere sich „nach wie vor, die Namen der Spender zu nennen, die ihm in den 90er-Jahren zwischen 1,5 und 2 Millionen Mark für die CDU zur Verfügung gestellt haben“. Eine solche Haltung sei nicht mit den Gesetzen der Bundesrepublik und der Verfassung kompatibel, daher verweigere seine Partei nach wie vor ihre Zustimmung zur Ehrenbürgerschaft. Auch wenn Kohls Verdienste um die deutsche Einheit und die Europäische Union „unbestritten“ seien, so Braun.

Im Übrigen sei man der Meinung, dass der entscheidenden Abstimmung im Stadtparlament ein „Kuhhandel“ der CDU mit der SPD vorausging, so Braun. Tatsächlich bekam der Ehrenbürger-Antrag der CDU die Stimmen aller 20 SPD-Stadtverordneten. Im Gegenzug stimmten die 26 Kommunalparlamentarier der CDU an diesem 11. Oktober 2004 geschlossen dem nachfolgenden Antrag der SPD zu, ein Altenheim nach dem Sozialdemokraten Hans Bardens zu benennen. „Das war alles abgesprochen“, glaubt Braun.

Neben den Grünen hatten den Verleihungsantrag 2004 nur noch die 3 Stadtverordneten der Freien Wähler kritisiert. Sie sprachen sich damals zwar „grundsätzlich“ für die Ehrenbürgerschaft von Kohl aus, monierten aber die für die Verleihungsfeierlichkeiten veranschlagten Kosten in Höhe von 80.000 Euro. Einfluss auf den Beschluss hatte das nicht, wohl aber auf die Stimmung einiger Beteiligter.

„Kleinmütig und peinlich“ nannte Oberbürgermeisterin Lohse – ein politisches Ziehkind von Kohl – diese Debatte. Und der Exkanzler selbst war so sauer, dass er darum bat, die schon zur Feier seines 75. Geburtstages am 3. April vorgesehene Urkundenverleihung „nach hinten“ zu verschieben.

Man tat ihm den Gefallen und jetzt ist es so weit: Kohl wird Ehrenbürger von Ludwigshafen. Ehrenbürger von Frankfurt am Main und Berlin ist er bereits. Und auch Ehrenbürger Europas. Für Oberbürgermeisterin Lohse gehört er denn auch zu den „überragenden politischen Gestalten unserer Zeit“. Er habe die einmalige historische Chance zur deutschen Wiedervereinigung „beherzt genutzt“ und den Prozess der europäischen Einigung „ganz entscheidend vorangebracht“.

Als Dank wird ihm am Freitag „sein Leibgericht“ serviert werden, wie es auf der Speisekarte des berühmten „Deidesheimer Hofes“ in Deidesheim an der Weinstraße heißt. Dorthin hatte der Kanzler Kohl fast alle seine Staatsgäste verschleppt, nun kommt er allein – zum Edelsaumagenessen.

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