Die Wahrheit: Herr Klawuttke sucht den Wald
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Heute darf sich die geneigte Leserschaft an einem Poem erfreuen, das sich recht spielerisch dem Grüne nähert.
Herr Klawuttke ist recht alt,
Zweiundsiebzig Jahre bald.
Man sieht ihn hier um kurz nach zehn
in Richtung Wald spazieren gehn.
Er geht die Strecke jeden Tag,
weil er Veränderung nicht mag,
und sitzt um elf dann, Gott sei Dank,
immer auf derselben Bank.
Dort isst er eine Käsestulle
aus seiner Käsebrotschatulle
und schaut dem Wald beim Wachsen zu.
„Herrlich!“, denkt er. „Diese Ruh!“
Er zählt die Vögel und die Käfer
und die Schafe von dem Schäfer,
die friedlich grasen drunt’ im Tal:
Hundert Schafe, jedes Mal!
Eine Stunde sitzt er so
friedlich, schweigend, satt und froh.
Dann schaut er auf seine Uhr
und geht exakt um zwölf retour.
Was will uns diese Dichtung sagen?
Wollen Sie jetzt sicher fragen.
Ist sie ein Loblied auf die Alten,
die sich durchs Wandern rüstig halten?
Und auf den Wald, durch den sie gehen?
Sowie die Bänke, die dort stehen?
Will sie die Käsestullen preisen?
Und die, die sie im Forst verspeisen?
Bricht sie für Pünktlichkeit ne Lanze?
Man fragt sich echt: Was soll das Ganze?
Und kommt am Ende zu dem Schluss,
dass es nichts bedeuten muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen