WM-Weblog „Buterbrod und Spiele“: Tief im Osten
Die WM-Karawane tourt durch Russland. Durch ganz Russland? Die Blogger von „Buterbrod und Spiele“ gehen dahin, wo es kaum Fans gibt.
Die ganze Sportwelt schaut während dieser Wochen nach Russland. Jeder Spielort, jedes Stadion, jedes Spiel und jeder Spieler wird analysiert und durchleuchtet. Fans werden befragt, die Stimmung eingefangen, Hintergrundberichte gesendet. Russland ist Fußball und Fußball ist Russland – zumindest im westlichen Teil des Landes. Alle Spielorte während dieser WM sind westlich des Ural-Gebirges, also im europäischen Teil Russlands. Moskau, St. Petersburg, Kasan, Sotschi. Was ist mit dem Osten? Haben die Leute überhaupt Lust auf die Weltmeisterschaft in „ihrem“ Land?
Genau auf diese Fragen geht der Blog „Buterbrod und Spiele“ ein: Moritz Gathmann, Autor, und Christian Frey, Fotograf, wollen nicht den alltäglichen Fußballzirkus beobachten, sondern steigen bei der WM im Osten des Landes ein. Es ist eine Reise von Jakutien, an der Grenze Russlands zu Alaska, bis nach Moskau, dem Hotspot und WM-Zentrum im Westen. Rund 20 Stunden Flugzeit trennen diese Städte.
In Regionen wie Sibirien ist der Fußball nichts weiter als ein Nebenprodukt. Wegen der Zeitverschiebung laufen die Spiele in der tiefen Nacht; der Osten wird quasi wegretuschiert. Die beiden Blogger treffen in den örtlichen Bars Mädchen, die Fußball schauen, während Jungs auf der Playstation Eishockey spielen und das Erreichen des Achtelfinales für Russland nickend zur Kenntnis nehmen.
Die beiden Russland-Interessierten befinden sich zurzeit im Zug von Taischet nach Omsk. 30 Stunden Zugfahrt, ohne Internetverbindung. Klingt hart, ist es in der Tat auch. Vor allem, am in den Tagen zuvor bereits 56 Stunden Zug fahren musste. Ihre Arbeit ist „nunmal Arbeit“, sagt Gathmann. Doch lange Zugfahrten können auch positive Sachen besitzen: „Wir erleben sehr viel, lernen sehr viele Menschen und ihre Geschichten kennen, und manchmal kommen wir gar nicht hinterher, das alles aufzuschreiben. Aber gerade dazu ist das Zugfahren ohne Internet sehr gut.“
Im WM-Abseits: „Buterbrod und Spiele“
Es kommt zudem nicht jeden Tag ein Artikel auf „Buterbrod und Spiele“ online, manchmal sind es auch Bilderstrecken oder Videos. So können Gathmann und Frey flexibler arbeiten und stehen nicht jeden Tag unter Druck.
Warum nicht auch Katar?
Gathmann war schon einmal in Russland. Genauer gesagt: für fünf Jahre. Zwischen 2008 und 2013 lebte er dort und stellt jetzt fest, dass sich „natürlich was verändert hat“. Der Ukraine-Konflikt habe seine Spuren hinterlassen, als Journalist komme man nicht um Diskussionen herum, auch die Staatspropaganda wirke sich auf die Russen aus. Speziell für Gathmann, der auch aus der Ukraine berichtet hat, ist das ein schwieriges Thema.
Empfohlener externer Inhalt
WM 2018 – Die Spielorte
Dennoch haben die beiden Blogger schon jetzt ein positives Bild von Russland. „Russland ist immer eine Reise wert“, sagt Gathmann. Vielleicht kommen die beiden wieder ins Land zurück: „Es gibt viele Ecken, die wir noch nicht gesehen haben. Zudem haben wir einen Haufen neuer Kontakte und Einladungen.“
Wie geht es jetzt weiter? Erst einmal geht ihre Reise nach Moskau. Und danach? Die nächste WM findet im Jahr 2022 in Katar statt. „Warum nicht auch Katar? Andererseits: So klein wie Katar ist, wird das Verhältnis zwischen Journalisten und Einwohnern derart sein, dass man Schlange für die Interviews stehen muss.“
Ob die beiden weitere Projekte realisieren können, hängt auch vom Geld ab. „Buterbrod und Spiele“ ist ein Projekt, das sich aus Spenden finanziert.
Und warum „Buterbrod“? Warum dieser auffällige Rechtschreibfehler? „Es ist“, sagt Gathmann, „die direkte Transkription der russischen Schreibweise.“ Ein Wort, das aus dem deutschen ins russische übergegangen ist. Wie Buchhalter oder Schlagbaum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!