piwik no script img

Abschiebung aus BerlinNach Afghanistan geflogen

Im letzten Abschiebeflieger saß ein in Berlin registrierter Afghane. Es habe sich um einen Straftäter gehandelt, verteidigt sich die Innenverwaltung.

Berlin will eigentlich nicht nach Afghanistan abschieben Foto: dpa

Berlin taz | Zum ersten Mal seit Jahren ist ein Mann aus Berlin nach Afghanistan abgeschoben worden. Wie die Senatsinnenverwaltung am Wochenende bestätigte, saß er in dem Flugzeug, mit dem Bund und Länder in der vergangenen Woche 69 Männer von München aus nach Kabul abgeschoben hatten. Bei dem in Berlin registrierten Mann aus Afghanistan handelte es sich laut Innenverwaltung um einen verurteilten Straftäter, der „vollziehbar ausreisepflichtig“ gewesen sei. Er habe wegen schweren Raubs, Körperverletzung und räuberischer Erpressung im Gefängnis gesessen, Berlin habe ihn aus der Haft heraus abgeschoben.

„Diese Abschiebung ändert nichts an unserer generellen Praxis“, betonte Martin Pallgen, Sprecher der Innenverwaltung. Bisher hatte Berlin Menschen aus Afghanistan, deren Asylantrag abgelehnt wurde, nicht abgeschoben, sondern weiter geduldet. Und wenn sie abgeschoben würden, dann in sogenannte sichere Drittstaaten im Rahmen des Dublin-Abkommens. Dies betraf nach Angaben der Innenverwaltung im letzten Jahr 27 Menschen mit afghanischer Staatsbürgerschaft.

„Wir prüfen jeden Einzelfall. Wir schicken nicht Leute ohne Grund nach Afghanistan zurück“, sagte Pallgen. Er schränkte aber ein: „Von Anfang an haben wir uns vorbehalten, in solchen Einzelfällen Gewalttäter, Vergewaltiger oder Gefährder abschieben zu können.“ Darauf hätten sich auch die Innenminister bei ihrer letzten Konferenz in Quedlinburg verständigt.

Bei dem jetzt abgeschobenen Mann sähen sie wegen der Schwere der Straftaten aber keinen Grund, ihn weiter in Berlin zu dulden. Die Richtschnur für schwere Straftaten scheint etwa 80 Tagessätze zu sein. „Anders als die unionsgeführten Länder beurteilen wir die Situation im Land nicht nach dem neusten Lagebericht der Bundesregierung zu Afghanistan, sondern sehen sie weiter als humanitär problematisch an“, sagte der Sprecher weiter.

Dieser Lagebericht war für die bayerische Innenverwaltung die Grundlage für den Abschiebungsflug vom 3. Juli gewesen, in dem 69 Personen gesessen hatten – mehr als jemals zuvor in einem Flieger; die meisten von ihnen aus Bayern.

Der Verein „Moabit hilft“ kritisierte das Vorgehen der Innenverwaltung als „antihumanistisch“. In einer Stellungnahme forderte er Innensenator Andreas Geisel (SPD) auf, diese Praxis einzustellen. Das Aufenthaltsrecht und Abschiebungen dürften kein Werkzeug des Strafrechts sein. „Wenn dem Geflüchteten im Herkunftsland Gefahr für Leib und Leben droht, sollte dies ein Überstellungshindernis darstellen“, so Moabit hilft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Dieser "Berliner" ist wie der aus Hamburg abgeschobene Flüchtling, über den gestern diskutiert wurde, wegen Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden.

    Bei dem Hamburger stellt sich schon die Frage:

    Kann man den Suizid ausschließlich auf den Umstand zurückführen, dass er erwartete, in Afghanistan unglücklicher zu werden?



    Oder ist der Suizid vielleicht viel mehr die Folge seines "unwürdigen" Verhaltens in Deutschland, eines dadurch jahrelang beeinträchtigten Selbstbildes?

    Jedenfalls war das ein Mann, der schon mehrfach Gewalt gezeigt hatte, und durch seine Selbsttötung erneut Gewaltbereitschaft dokumentierte. Zum Glück hat er niemanden in den Tod mitgenommen.

    Was lernen wir daraus? Nicht, dass Abschiebungen unmenschlich sind, sondern dass es unmenschlich ist, Menschen hier jahrlang durchzufüttern, ohne ihnen eine Perspektive zu geben, auf eigenen Füßen zu stehen!



    Vermutlich hatte er auch keine Arbeitserlaubnis und lebte die ganze Zeit auf Staatskosten, mit etwas Zuverdienst durch Kleinkriminalität.

    Schneller abschieben kann damit menschlicher sein als später abschieben.

    Und währenddessen sollte auch Arbeit erlaubt sein, ohne dass diese dann - wegen "erfolgreicher Integration" - sofort eine Abschiebung verhindert. Vielmehr ist es auch für schließlich Abgeschobene besser, sie haben Berufserfahrung gesammelt - selbst wenn sie ggf. kein Geld zurücklegen könnten, weil es für Verfahrenskosten draufginge.

  • Das bei Abschiebungen jedes Bundesland nach eigenem Gutdünken entscheidet, ist schon ein Desaster, wenn dann auch noch eine Behörde angegriffen wird, weil sie verurteilte Straftäter abschiebt, ist der Irrsinn komplett. Die konsequente Reduzierung auf Hilfe für wirklich asylberechtigte Flüchtlinge ist die einzige Chance, die Mehrheit der Bevölkerung bei der Stange zu halten und die Demokratie zu retten. Wenn Rechtsradikale die Mehrheit bilden werden, haben NGOs und solche Vereine, wie "Moabit hilft" selbst die Humanität abgeschaft.