Studie zum Berliner Arbeitsmarkt: Zu tun gibt es genug
Jeden Tag entstehen in Berlin im Schnitt 167 neue Jobs. Allerdings gibt es bei vielen Stellen einen Haken. Flüchtlinge kommen nur in wenigen Betrieben an.
In Berlin entstehen immer mehr neue Jobs, und das in schwindelerregendem Tempo: Im Jahr 2017 schufen die Betriebe an der Spree knapp 61.000 Stellen, das sind im Schnitt 167 neue Jobs pro Tag. Den Aufschwung auf dem Berliner Arbeitsmarkt gibt es schon eine Weile, er gewinnt aber weiter an Dynamik. Dem liegt ein Wachstum bei den Betrieben zugrunde: Über 97.000 Unternehmen wirtschaften inzwischen an der Spree, 2006 waren es noch 79.000.
Das sind Ergebnisse des Betriebspanels Berlin 2017, einer repräsentativen Befragung von Unternehmen, die Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linkspartei) am Mittwoch vorstellte. „Bei der Beschäftigungsentwicklung bleibt Berlin auf der Überholspur“, sagte Breitenbach. Zahlen der Agentur für Arbeit zeigen: Vor allem im Dienstleistungsbereich entstehen Jobs, im Bereich Kommunikation und Information, im Immobiliensektor, aber auch an Schulen. Und es geht wohl noch eine Weile so weiter: Fast jeder fünfte Berliner Betrieb gab in der Befragung an, weitere Leute einstellen zu wollen.
Die erfreuliche Entwicklung hat allerdings auch ihre Schattenseiten. Denn mehr als ein Drittel der neuen Jobs sind atypische Beschäftigungsverhältnisse, das heißt: Leiharbeit, befristete oder Teilzeitstellen. „Diese Jobs sind oftmals eine Sackgasse und eben keine Brücke in gute Arbeit“, sagte die Senatorin. 13 Prozent der Berliner Beschäftigungsverhältnisse hatten 2017 der Betriebsbefragung zufolge eine zeitliche Begrenzung, 2 Prozent mehr als im Vorjahr. Zum Vergleich: Bundesweit gab es nur 8 Prozent befristete Verträge. Breitenbach sieht das kritisch: „Solche Verträge verhindern, dass Menschen über einen Zeitraum von mehreren Jahren ihr Leben planen können.“
Befristungen können dann nötig sein, wenn etwa eine Vertretung für eine Elternzeit gesucht wird oder ein Geschäft nur saisonal läuft. Bei jeder zweiten Befristung gab es jedoch keinen solchen Grund, so Marek Frei vom Institut für sozialökonomische Strukturanalyse (Söstra), Autor der Studie. Treiber der Befristungen waren laut Frei die großen Unternehmen mit mehr als 250 Angestellten: Bei diesen Betrieben seien zwei Drittel der neuen Verträge befristet gewesen.
„Da müssen wir gegensteuern“, sagte die Senatorin. Häufig würden Befristungen eingesetzt, um die Probezeit eines Mitarbeiters zu verlängern. „Unternehmen heuern und feuern die Beschäftigten, wie sie sie brauchen.“ Verbieten kann Rot-Rot-Grün sachgrundlose Befristungen nicht, das liegt in der Zuständigkeit des Bundes. Doch auch im öffentlichen Dienst und in landeseigenen Unternehmen gibt es solche Verträge. Das soll sich ändern: Erst am Dienstag hat der Senat beschlossen, auf sachgrundlose Befristungen in Zukunft zu verzichten.
Die Studie zeigt auch, dass die Tarifbindung weiter abnimmt. Weniger als die Hälfte der Beschäftigten arbeiten noch zu tariflich festgelegten Bedingungen, im Jahr 2000 waren es noch zwei Drittel. Umso wichtiger ist der Mindestlohn. Wenn der ab Januar auf 9,19 Euro pro Stunde erhöht wird, profitieren davon rund 5 Prozent aller Berliner Beschäftigten.
Flüchtlinge in Arbeit
Ein eigenes Kapitel widmet die Studie der Frage, wie viele der rund 80.000 Flüchtlinge, die zwischen 2015 und 2017 nach Berlin kamen, inzwischen in Unternehmen Fuß gefasst haben. Neun von zehn Betrieben gaben dabei an, noch keinerlei Kontakt zu Geflüchteten zu haben. Vor allem viele kleine Betriebe hatten bisher kaum Berührungspunkte zu Flüchtlingen, sagte der Autor der Studie, Marek Frei. „Da ist noch eine Menge Potenzial.“
Doch es gibt auch jetzt schon eine gute Nachricht: Sofern sich Flüchtlinge bei Unternehmen bewarben, wurde daraus in jedem zweiten Fall ein Beschäftigungsverhältnis: Ein Drittel der Flüchtenden machte ein Praktikum oder eine Ausbildung, zwei Drittel bekamen eine sozialversicherungspflichtige Stelle.
Viele bewarben sich auf dem Bau, in der Gastronomie, in Hotels oder auch bei Friseuren. Ungeachtet ihrer Qualifikation verrichten Geflüchtete bislang zum allergrößten Teil einfache Tätigkeiten, für die man keine weiteren Vorkenntnisse braucht.
Digitaler Wandel
In der Befragung sollten die Unternehmen auch angeben, mit welchen digitalen Technologien sie arbeiten. Knapp ein Drittel nutzt demnach lediglich zwei Technologien, etwa Computer und Handys, in ihrem Arbeitsalltag. „Da ist noch Luft nach oben“, sagte Senatorin Breitenbach. Jedes fünfte Unternehmen rekrutiert Personal über soziale Netzwerke. Aufträge vergibt jeder dritte Betrieb online.
Unternehmen, die mehr als fünf digitale Technologien nutzen, nennen die AutorInnen der Studie die „digitalen Vorreiter“. Zu ihnen zählen laut Frei 11 Prozent aller Berliner Betriebe – industrielle Unternehmen, die Roboter nutzen, aber auch Kliniken oder Handelsbetriebe. Diese Unternehmen sagen deutlich häufiger als andere, dass ihre Beschäftigten über die Arbeitszeit und den Arbeitsort selbst bestimmen können. Allerdings steige mit dem Grad der Digitalisierung auch die psychische Belastung, so Frei. „Deshalb heißt es: den digitalen Wandel weiter beobachten.“
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