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heute in bremen„Die Mädchen lernen früh, was erwartet wird“

dpa

Andrea Röpke, 53, ist Diplom-Politologin, Journalistin und taz-Autorin mit dem Schwerpunkt Rechtsextremismus. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet.

Interview Jan Zier

taz: Frau Röpke, was unterscheidet die „Völkischen“ von anderen Rechtsextremen?

Andrea Röpke: Sie beziehen sich auf den Nationalsozialismus, durchaus nicht immer offen, aber allein das Bekenntnis zur „Volksgemeinschaft“ offenbart den Bezug. Es gibt viele, die sich vernetzen und ihr ganzes Leben danach ausrichten. Sogenannte „Völkische Siedler“ wollen „artgerecht“ unter ihresgleichen leben.

Arbeiten völkische Netzwerke mit der AfD oder der Identiären Bewegung zusammen?

Ja. Völkische agieren ideologisch innerhalb von Parteien wie der NPD oder der AfD. Ihr Feindbild ist unsere weltoffene, liberale und emanzipierte Gesellschaft. Vor allem von AfD-Politikern wie Höcke, Kalbitz oder Poggenburg erhoffen sie sich den nationalen Umsturz. Der Nachwuchs völkischer Kreise bringt sich massiv bei den Identitären ein, meistens unauffällig in der zweiten Reihe.

Wie groß ist die Szene in Norddeutschland?

Das ist zahlenmäßig schwer einzuschätzen, aber Norddeutschland, vor allem auch die Lüneburger Heide und Mecklenburg stellen Schwerpunktregionen dar. Bereits nach 1945 sammelten sich in Niedersachsen viele völkisch gesinnte Familien und bildeten politische, soziale und wirtschaftliche Netzwerke.

Welche Rolle spielen die Frauen bei den „Völkischen“?

Vortrag „Völkische Netzwerke in der rechten Szene“, 19 Uhr, Uni Bremen, Hörsaalgebäude „Keksdose“

Diese Kreise sind äußerst reaktionär. Es herrscht ein biologistisches Weltbild vor: Frauen sind politische Gefährtinnen, aber vor allem für Familie und Haushalt zuständig. Es ist erschreckend wie sehr sich das schon auf Kleinkinder überträgt. Die Mädchen lernen früh, was von ihnen erwartet wird. Wollen sie studieren, werden zumeist nur soziale, pflegerische oder pädagogische Berufe gebilligt.

Wie sieht eine Erziehung im Sinne der „Völkischen“ aus?

Autoritär, hierarchisch, rückschrittlich. Den Kindern wird viel abverlangt, sie fallen allein schon durch ihre Kleidung auf. Viele dürfen zu Hause keine Anglizismen benutzen, lernen nach außen hin zu schweigen. In den Familien herrscht ein nationalistisches und rassistisches Elitedenken vor. Bereits Kinder wachsen mit klaren Feindbildern und viel Hass auf, davon berichten auch Aussteiger. Strenge Erziehung zu Musikalität und klassischer deutscher Bildung sollen ihnen das Gefühl vermitteln, zu einer Avantgarde zu gehören.

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