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Viertel unter Kontrolle

Im Steintor werden die Straftaten weniger, erklärt die Bremer Polizei. Das Viertel sei sicher. Dennoch wurde auf einer CDU-Veranstaltung im Lagerhaus über weitergehende Maßnahmen diskutiert

Hotspot für Sex, aber auch für Crime: die Helenenstraße Foto: Allegra Schneider

Von Jean-Philipp Baeck

Die Bremer Polizei und das Innenressort arbeiten weiter an einer neuen behördenübergreifenden „Task Force“ zur Kontrolle der Gastronomie im Bremer Viertel. Das sagte Derk Dreyer, Leiter der Inspektion Mitte-Süd am Mittwochabend auf einer Veranstaltung im Kulturzentrum Lagerhaus. „Wir wollen eine Task Force, um die Gas­tronomie an kritischen Hotspots zu beleuchten“, erklärte der Polizist. Der Grund für dieses Vorhaben: Die Polizei sieht einen Zusammenhang zwischen ausufernden Öffnungszeiten bestimmter Lokalitäten und Kriminalität im Viertel. Dass es dabei aber insgesamt sicher sei im Viertel und auch Gewaltdelikte zwar mehr wurden, die Zahl inzwischen aber wieder zurückgingen, auch das erklärte Dreyer.

Er beruhigte damit eine Diskussion um das Viertel als Hort der Gewalt, die insbesondere seit einem Mord durch Messerstiche am Ziegenmarkt im November wieder vehementer geführt wurde – einem Einzelfall, der in dieser Form wohl überall hätte passieren können.

Zu der Veranstaltung geladen hatte die CDU-Bürgerschaftsfraktion, angestoßen aber wurde sie von der Interessensgemeinschaft „Das Viertel“ um Norbert Caesar, Inhaber des gleichnamigen Haushaltswarengeschäfts im Ostertor. Die Kaufleute nämlich sehen den Ruf der Gegend und damit Kundenströme in Gefahr, seit die CDU anlässlich des Mordes am Ziegenmarkt mit einer Großen Anfrage die Sicherheit im Viertel thematisierte. Anders als Inspektionsleiter Dreyer es dann darlegte, hatte die CDU in ihrer Anfrage unter Berufung auf „Anwohner“ noch infrage gestellt, dass die Polizei die Lage im Griff habe.

Kaufmann Caesar widersprach: Es seien die Berichterstattung und Anfragen wie die der CDU, die den Eindruck von Unsicherheit vermittelten. Eine eigene Umfrage der Interessensgemeinschaft habe ergeben, dass sich gerade die AnwohnerInnen überwiegend sicher fühlten, die Angst vor Kriminalität im Viertel hingegen steige, je weiter weg die Menschen wohnten.

Gleichwohl verzeichnete die Polizei laut Senat eine Zunahme der Straftaten – im Steintor von 1.889 im Jahr 2014 auf 2.255 im Jahr 2017. Allerdings: Die Zunahme von insgesamt 366 Taten entspricht in etwa jener Zahl, um die die Drogendelikte in der gleichen Zeit anstiegen – von 359 im Jahr 2014 auf aktuell 686, also einem Anstieg um 327 Delikte. Drogenvergehen aber sind „Kontrolldelikte“, weil sich beim einvernehmlichen Austausch der Ware selten jemand beschwert. Der Anstieg ist hier also auch auf den zunehmenden Druck zurückzuführen, den die Polizei mit der Ende 2016 gegründeten Ermittlungsgruppe gegen Straßendealer ausübte.

700 Verfahren, 35 längere Platzverweise und vier Haftbefehle wurden seitdem erwirkt, die Polizei betreibt großen Aufwand, um Dealer aus dem Straßenbild im Steintor zu drängen: verdeckte Ermittler, zivile Einsatzteams, uniformierte Beamte und alle zwei Wochen kleinere Razzien, erklärte Dreyer.

Insgesamt ist das Viertel für die Polizei nach der Bahnhofsgegend ein Haupteinsatzort. Auch hat die Polizei hier durchaus eine Zunahme von Gewalttaten beobachtet, die sich hier insbesondere auf den Bereich am Ziegenmarkt und die Helenenstraße konzentrieren. Die Polizei befürwortet deshalb weiterhin, die Mauer und die verbliebene halbe Sichtschutzwand vor der Helenenstraße zu entfernen.

„Wenn die Läden nicht offen haben, nimmt die Gewalt auch ab“

Derk Dreyer, Leiter der Polizeiinspektion Mitte-Süd

Zeitlich häufen sich Delikte vor allem in den Nächten des Wochenendes. Ein Anstieg bei Raubtaten und Körperverletzungen war laut Polizei unter anderem auf eine kleine Gruppen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zurückzuführen. Aber: Die Polizei habe reagiert, war in den letzten Monaten am Ziegenmarkt besonders präsent und die Delikte gingen seitdem zurück.

Mit der Gründung einer Task Force wiederum – das erklärte der Senat bereits in seiner Antwort an die CDU – solle „die Einhaltung von Vorschriften zu Sperrzeiten, Glückspiel und Arbeitserlaubnissen überprüft“ werden. Unter anderem strengere Kontrolle und eine mögliche Vorverlegung der Sperrstunde sollen Abhilfe schaffen, erklärte Dreyer: „Wenn die Läden nicht offen haben, nimmt die Gewalt auch ab.“

Mit eher langen Gesichtern reagierten die anwesenden Gastronomen wie Felix Grundmann, Betreiber der Kneipe „Heartbreak Hotel“. Dass er und andere Wirte sehr gut mit der Polizei zusammenarbeiteten, sagte er, und verwahrte sich gegen den Eindruck, dass die Gastronomie im Viertel das Pro­blem sei.

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