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Steffen Grimberg Flimmern und RauschenDie Komplexität ist der Fressfeind des Polittalks. Sendepause für Talkshows!

Haben Sie’s auch bemerkt? Am Sonntag lief keine „Anne Will“ im Ersten, stattdessen gab’s mal wieder noch ’nen Krimi für die Mimi. Dabei hätte Anne Will so gerne, und zumindest die FAZ fand ja, dass dies bitter nötig gewesen wäre, und auch SPON orakelte: „Das schlechte Auftaktspiel der Nationalelf könnte Angela Merkel am Ende vielleicht sogar das Amt kosten.“ Ach, nee, pardon, nicht die WM, der Asylstreit war’s. Ja, ja Deutschland mal wieder direkt am Abgrund. Und keiner sendet’s.

Nun weiß man ja, wie kompliziert es ist, im Ersten mal schnell was zu ändern, weil es spätestens in München Menschen gibt, die weder den alten ARD-Slogan „Wir sind eins“ noch den neuen „Wir sind Deins“ verinnerlicht haben, sondern breitbeinig „Das ist meins“ dagegenhalten. Wobei dieses Mal die Reise schon im Norden beim für „Anne Will“ zuständigen NDR-Fernsehchefredakteur Andreas Cichowicz zu Ende war, der die Notwendigkeit einer Sommerpausensondersendung auch nicht so recht sehen mochte.

Wir sollten ihm dankbar sein. Und „Anne Will“ eine lange Sommerpause wünschen, am besten ewig. Und das Plasbergillnermaischberger bitte zum Besuch bei „Anne Will“ abreisen, am besten sofort. Zwei Jahre Ferien für alle Polittalks, mindestens!

Denn nicht erst seit der vor ein paar Wochen aufgebrandeten Framing-Diskussion müsste klar sein, dass die Polittalks in Sachen Aufklärung und vernunftbegabter Meinungsbildung gescheitert sind. Da hilft auch keine schwarze „Höcke, Gauland & Co.“-Liste wie die von „Hart aber fair“. „Vielleicht sind Talkshows ja nicht an allem schuld. Aber so viel ist sicher: Wo es Talkshows gibt, gibt es keine Demokratie. Und mehr Demokratie schon gar nicht“, hat der große Georg Seeßlen im vergangenen Sommer hier in der taz geschrieben. Dem ist wenig hinzuzufügen.

Zum einen scheitern Talkshows daran, dass bestimmte Gäste die üblichen Spielregeln des honorigen Phrasendreschens ignorieren und gegen die anderen DiskutantInnen und die Moderation wenden. Damit sitzt – wer immer die Moderationskärtchen in der Hand zu haben glaubt – in der Falle, denn die Moderation muss sich an die Spielregeln halten, sonst greint der Populist.

Zum anderen bringt das Dauerkratzen an der unsachlichen Oberfläche nichts. Zu wenig Zeit, Halbwahrheiten geradezurücken, zu differenzieren, zu vertiefen: Die Komplexität ist der Fressfeind des Polittalks. Aber sie ist nun mal da.

Höchste Zeit also für andere Formate: hart geführte Einzelgespräche, Dokumentationen, Reportagen, Diskussionen mit BürgerInnen und Betroffenen. Es gibt sie alle. Und wenn man’s gut macht, wird es spannend wie ein Krimi.

Medienprofi Steffen Grimberg (früher taz, NDR und ARD, jetzt MDR) bringt jeden Mittwoch Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt

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