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Blauer Hass

Im Kampf gegen Antisemitismus arbeitet Chelsea mit dem Jüdischen Weltkongress zusammen

Hinter dieser Flagge steckt womöglich ein Rassist: Chelsea-Fans schwenken ihre Fahnen Foto: imago

Aus London Daniel Zylbersztajn

„Álvaro, oh, Álvaro, oh. Er kam aus Real Madrid, er hasst verdammte Yids.“ Das singen Fans des FC Chelsea London. Álvaro, das ist Álvaro Morata, Stürmer der eigenen Mannschaft. Yids ist Jiddisch für Juden. Als Judenarmee (Yid Army) bezeichnen sich vor allem Fans von Tottenham Hotspur – wegen der geografischen Nähe ihres Stadions zum Londoner Viertel Stamford Hill, wo viele orthodoxe Juden leben. Der FC Chelsea hat also ein Problem mit Antisemiten. Und nun?

Der Geschäftsführer des jüdischen Sportvereins Maccabi GB, Martin Berliner, glaubt nicht, dass es antisemitisch ist, wenn Fans das Wort Yid verwenden. So singen die Spurs-Fans: „Was ich am meisten liebe, ist, ein Yid zu sein.“ Problematisch wird es vor allem dann, sagt Berliner, wenn Fans anderer Mannschaften Tottenham-Spielern den Hitlergruß zeigen. Immer wieder sieht man ausgestreckte Arme.

Einen wirklichen antisemitischen Vorfall erlebte heuer ein Trainer von Maccabi. Der Londoner Regionalligaspieler Scott Shulton wurde im Januar von einem Gegenspieler explizit als Jude angegriffen. Shulton wehrte sich. Noch im Juni gibt es eine Anhörung vorm Schiedsgericht des Fußballverbandes. Die britische Organisation Kick It Out!, die Rassismus bekämpft, bemerkt derweil einen Anstieg antisemitischer Übergriffe und Pöbeleien. Im Fokus: Fans des FC Chelsea. Im Jahr 2015 verwehrten Chelsea-Fans in Paris einem Passagier den Zugang zur Metro, weil er Afrikaner war. „Wir sind Rassisten, und wir mögen es so“, bejubelten sie damals ihre Aktion. In der Saison 2011/12 verbuchte der Klub die meisten Festnahmen wegen rassistischer Vorfälle.

Nun hat der Klub eigene Untersuchungen angestrengt. Nach dem antisemitischen Geschrei scheint man im Management die Nase voll zu haben, immerhin ist in der Chefetage kein Geringerer als Klubbesitzer Roman Abramowitsch jüdisch. Als Teil eines bereits bestehenden eigenen Programms, das für Vielfalt und Gleichberechtigung wirbt (Building Bridges), beteiligte sich Chelsea auch an der Initiative „Marsch der Lebenden“. Seit einigen Monaten gibt es nun eine neue Ini­tiative, in der der FC Chelsea und der Jüdische Weltkongress (JWC) eine Partnerschaft eingegangen sind. Ihr Programm Red Card for Hate (Rote Karte dem Hass) soll den Antisemitismus unter Fans ausmerzen. „Es geht darum, Fans aufzuklären und jene, die bei der Verbreitung von antisemitischen Slogans erwischt werden, auf Kurse zu schicken“, so ein Vereinssprecher. Daneben sollen aber auch Schulen besucht, das Judentum erklärt und über jüdische Leistungen im Fußball gesprochen werden – und Fans werden nach Auschwitz reisen.

30.000 Infokarten wurden vom Klub gedruckt und Infobroschüren erstellt. Drin stehen auch Anweisungen zur Dokumentation, zum Eingreifen sowie Kontaktdaten, um Vorfälle zu melden. Robert Singer, Geschäftsführer des WJC, sagt: „Noch nie haben wir Antisemitismusbekämpfung in Fußballstadien gemacht.“ Er verspricht sich einiges davon. Als nächsten Schritt suchen WJC und der FC Chelsea nach Organisationen und Klubs, die sich beteiligen wollen. Deutsche sind herzlich willkommen, sagt Singer der taz.

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