Kommentar Reform der Mietpreisbremse: Arme Mieter
Ein großer Wurf ist die Mietrechtsnovelle der Justizministerin nicht. Die Verdrängung aus den Innenstädten kann sie nicht aufhalten.
D ie entscheidende Zukunftsfrage Deutschlands scheint derzeit die Aufklärung der Fehler einer Bundesbehörde bei der Erteilung von Asylbescheiden zu sein. Das dürfte die erstmalige Regierungsbefragung am Mittwoch im Bundestag ergeben. Da fallen „Randprobleme“ wie Wohnungsmangel und explodierende Mieten kaum noch ins Gewicht.
Immerhin: Justizministerin Katarina Barley (SPD) hat geliefert und knapp drei Monate nach ihrem Amtsantritt einen Referentenentwurf für eine Mietrechtsnovelle vorgelegt. Doch selbst wenn diese Vorlage – wovon nicht auszugehen ist – die Mühlen der Großen Koalition weitgehend unverändert überstehen sollte, wäre es keineswegs der „große Wurf“ zur Eindämmung der Wohnungsnot in den meisten deutschen Großstädten und Ballungsräumen.
So sieht die Verschärfung der Mietpreise bei Neuvermietungen zwar eine Auskunftspflicht der Vermieter über den zuvor verlangten Mietzins vor. Die zahlreichen Schlupflöcher für deren Umgehung bleiben aber ausnahmslos bestehen. Vor allem, weil Mieten, die bereits zuvor über der Kappungsgrenze von 10 Prozent oberhalb des Mietspiegelwerts lagen, dauerhaft Bestandsschutz genießen.
Auch die Begrenzung der Modernisierungsumlagen auf 8 statt bisher 11 Prozent, nebst einer Obergrenze von maximal 3 Euro pro Quadratmeter, wird der Verdrängung einkommensschwächerer Mieter kaum Einhalt gebieten.
Ohnehin ist der dringend notwendige Schutz von Mietern in Bestandswohnungen nur ein Aspekt des in den vergangenen Jahrzehnten neoliberal entfesselten Wohnungsmarkts. Die Bestände des sozialen Wohnungsbaus sind dramatisch geschrumpft, weil es sich dabei eben nicht um dauerhaft preiswerte Wohnungen, sondern um eine temporäre, öffentlich geförderte Mietpreis- und Belegungsbindung für Häuser handelt, die anschließend wieder dem freien Markt zugeführt werden.
Immobilienkonzerne werden gefüttert
Bund, Länder und viele Kommunen haben in einer wahren Verkaufsorgie große Teile ihrer Wohnungsbestände an Investoren verkauft, was zur Keimzelle von börsennotierten Immobilienkonzernen wie Deutsche Wohnen und Vonovia wurde.
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist dramatisch. Branchen-, Mieter- und Sozialverbände gehen übereinstimmend von rund einer Million fehlender Wohnungen aus. Zwar wird seit einigen Jahren wieder mehr gebaut, aber hauptsächlich im oberen Preissegment.
Lösungsansätze sind hinreichend bekannt: Konzentration der Förderung auf kommunalen und gemeinnützigen Wohnungsbau, durchgreifende gesetzliche Regelungen zur Mietpreisdämpfung, Ausbau der geschützten Segmente für Wohnungslose und Geringverdiener. Das sind Themen, die für die soziale Verfasstheit unserer Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind. Doch die meisten Volksvertreter im Bundestag sehen das offenbar anders.
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