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Dritte Woche beim Giro d'ItaliaRundfahrt für die Wiederaufersteher

Nach einer schlechten zweiten Woche ist Maximilian Schachmann erneut im Rennen. Auch Chris Froome hat seine Rückschläge gut verdaut.

Etappensieg nach Rückschlag – Maximilian Schachmann erklärt Journalisten, wie er's geschafft hat Foto: imago/La Presse

VENARIA REALE taz | Groß wird nur der, der nach Rückschlägen zurückzukommen versteht. Diese Lektion kann man derzeit beim Giro d’Italia gleich zweimal studieren. Beim Star Chris Froome wie auch beim Nachwuchstalent Maximilian Schachmann.

Der gebürtige Berliner startete mit großen Ambitionen in diesen Giro d’Italia. Das Rundfahrttalent, ein sehr guter Zeitfahrer mit Qualitäten auch am Berg, wollte testen, wie lange sein Körper den Belastungen im Spitzenbereich standhält. Er begann auch furios das Rennen, mit Platz 8 im Prolog und dem Weißen Trikot des besten Jungprofis. In der zweiten Woche dann die Ernüchterung. Schachmann fing sich eine Erkrankung der Atemwege ein. „Die erste Woche konnte ich ganz vorn mitfahren, jetzt falle ich fast von den Sprintern ab. Das ist einfach nur ärgerlich“, kommentierte der Quick-Step-Profi. Über eine halbe Stunde Rückstand fing er sich am letzten Wochenende ein. Aus der Traum vom Weißen Trikot oder einer Top-10-Platzierung im Klassement. „Ich muss mir jetzt andere Ziele suchen. Ich hoffe, dass die Probleme weggehen. Dann will ich wieder angreifen“, sagte er zu Beginn der dritten Woche.

Die Erkrankung ging, der Wille zu attackieren fand jetzt auch wieder den Körper, der dazu in der Lage war. Schachmann ging bei der 18. Etappe des Giro in eine zwölfköpfige Fluchtgruppe. Und er erwies sich dort als der Stärkste. Etappensieg beim Giro-Debüt – das ist sein Lohn. Etappensieg auch nach Rückschlag – das ist die vielleicht noch größere Geschichte.

Chris Froome hatte bei diesem Giro schon zwei Rückschläge zu verkraften. Er stürzte vorm Prolog, hatte dann Angst vor den Kurven. Und vor allem raubten die zahlreichen Blessuren an der rechten Seite dem Briten Kraft. „Die Regeneration ist natürlich erschwert. Ich habe Schmerzen. Und auf dem Rad muss die linke Seite für die rechte Seite kompensieren, was auf Dauer auch nachteilig ist“, sagt er.

Zocken am Zoncolan

Als er die Schmerzen in den Griff bekam, startete er seine famose Attacke am Monte Zoncolan und holte sich den Etappensieg an Italiens mythischem Radsportberg. „Es war wichtig für ihn, zu zeigen, dass er hier im Rennen ist. Er kann den Giro vielleicht nicht mehr gewinnen. Aber er hat ihn jetzt zumindest mitgeprägt“, beurteilte Sky-Teamchef David Brailsford die Leistung seines Schützlings.

Die Quittung dafür kam am Tag danach. Am Anstieg nach Sappada erreichte Froome erst mit der dritten Verfolgergruppe das Ziel, mit 1:32 Minuten Rückstand auf seinen Landsmann Simon Yates und 51 Sekunden auf Tom Dumoulin, den Titelverteidiger. „Ich musste am Tag zuvor sehr tief gehen, in den roten Bereich. Das hat man jetzt gemerkt“, lautete sein Fazit.

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Froome, das muss man ihm lassen, attackierte dann aber in Prato Nevoso, auf dem Triumph­berg Schachmanns, erneut. Und erstmals zeigte Yates Schwächen. Der Mann im Rosa Trikot reagierte zwar noch nicht auf ­Froome. „Er ist noch zu weit weg im Klassement“, sagte Yates trocken. Als dann aber Dumoulin Froome nachsetzte, konnte ­Yates nicht folgen: erste Risse in der Fassade des bislang souverän wirkenden Spitzenreiters.

Froomes Entourage hofft, dass sich solche Szenarien an diesem Wochenende wiederholen. „Wir spielen das Spiel sonst ja andersherum und versuchen, eine Führung zu verteidigen. Unsere Fahrer wissen daher sehr gut, wann es wirklich wehtut, Angriffe zu parieren. Mit diesem Wissen können wir jetzt unsere Attacken platzieren“, sagt Skys sportlicher Leiter Nicolas Portal.

Sollte Froome die Energie für den Angriffsmodus haben, dann schaltet der Brite sicher um. Der Rundfahrtsieg ist nicht ausgeschlossen, „daran denken wir nicht in erster Linie. Der Abstand ist doch noch recht groß. Aber wenn du deine Attacken planst, um auf Platz 2 oder 3 zu kommen, dann bist du auf alle Fälle vorn mit dabei. Und wer weiß, vielleicht springt dann tatsächlich noch der Giro-Sieg heraus“, orakelt Portal.

Es wäre Froomes erster Rundfahrtsieg im Comeback-Modus – eine neue Qualität des Rennfahrers. Leider aber bleibt er weit weg von echter Größe. Die hätte er gehabt, wenn sein Anwaltsteam den Salbutamol-Fall schnell vom Gericht hätte entscheiden lassen und Klarheit herrschen würde, ob er auch moralisch beim Giro startberechtigt ist. Als Rennfahrer ist Froome eine Ausnahmeerscheinung. Ob er das auch in anderen Bereichen ist, bleibt offen.

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1 Kommentar

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ein trefflicher Artikel, der viel von der Faszination des Radsports widerspiegelt. Der Schluss ist für meinen Geschmack zu versöhnlich: wer so herumzockt wie Froome kann zwar sportlich ein Großer sein, doch neben dem Rennrad ist er eine kleine Nummer.