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Das Zündeln am eigenen Image

Beim Landespokalfinale gewinnt Cottbus gegen Babelsberg. Danach sorgen Babelsberger Fans mit Böllerwürfen für Unruhe

Babelsberger Spieler im Pyro-Nebel nach der Partie gegen Cottbus Foto: Jan Kuppert/dpa

Von Alina Schwermer

Pressekonferenzen sind an und für sich selten interessant. Zwei Trainer sagen, was man so sagt, niemand hat spannende Fragen, und vielleicht gibt es Brötchen. Umso erkenntnisreicher und unterhaltsamer geriet die Konferenz am Montag nach der Partie des SV Babelsberg gegen Energie Cottbus. Cottbus-Trainer Pele Wollitz referierte darüber, warum er kein Nazi sei, Landesverbandspräsident Siegfried Kirschen forderte etwas, was nach Law and Order klang, und Babelsberg-Coach Almedin Čiva sann sehr persönlich darüber nach, ob Babelsberg noch sein Verein sei. Es wäre Stoff für ein Theaterstück gewesen und war doch nur eine Pressekonferenz nach dem Landespokalfinale zwischen zwei Viertligisten.

Das Hochrisikospiel zwischen den mehrheitlich linken Babelsberg-Fans und den teils rechtsextremen Cottbuser Anhängern hat sich schließlich doch zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung entwickelt. Cottbus entschied ein mäßiges Landespokalfinale mit einem verdienten 1:0-Sieg. Lange blieb es ruhig, dann warfen vor der Siegerehrung vermummte Babelsberg-Anhänger im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion minutenlang Böller aufs Feld. Und auch gezielt auf den gegnerischen Block und auf Ordner. Die Siegerehrung wurde abgebrochen, Cottbus blieb ruhig. Und auf den SV Babelsberg 03, der nach der rechtsextremen Eskalation einiger Cottbuser Fans bei einem Spiel gegen Babelsberg vor rund einem Jahr damals als moralischer Sieger galt, werden heftige interne Debatten zukommen.

„Das ist peinlich hoch zehn“, resümierte ein mitgenommener Babelsberg-Coach Almedin Čiva. „Alles, was mir an Babelsberg gefällt, haben sie heute mit Füßen getreten. In welchen Zuständen sind wir?“ Er kündigte überraschend persönliche Konsequenzen an. „Das ist ein Zeitpunkt, wo man sich fragt: Ist das noch mein Verein? Ich werde sehr ernsthaft darüber nachdenken.“ Ähnlich äußerte sich Vereinspräsident Archibald Horlitz. Für eine Fanszene, die sich vielfach vorbildhaft gegen Nazis und für Respekt einsetzt, zeugten anlasslose Böllerwürfe auf Unschuldige jedenfalls von einem seltsamen Respektverständnis. Das Saubermann­image ist angekratzt.

Cottbus-Trainer Pele Wollitz hob sich derweil erneut mit Verharmlosung der Cottbuser politischen Situation hervor. „Wir haben ein Image, das wir gar nicht verdient haben“, so Wollitz. Die Opferrolle wirkt etwas ignorant: Die gewalttätige Dominanz der offiziell aufgelösten rechtsextremen Gruppe „Inferno“ und anderer rechter Ultras ist weiter offensichtlich. Die Zaunfahne der neuen Initiative „Energie Fans gegen Nazis“ wurde bei der Partie wohl von Rechten aus der eigenen Kurve vom Zaun gerissen. Widerstand bleibt schwer, die Leugnung seitens des Trainers macht es nicht leichter. Wollitz sagte dann noch, er wolle nicht „braune Soße“ genannt werden, denn er zahle seine Steuern und habe drei Kinder. Wie genau Steuern oder Kinderreichtum damit zusammenhängen, kein Nazi zu sein, führte er nicht aus.

„Da muss man sich fragen: Ist das noch mein Verein?“

Babelsberg-Coach Almedin Čiva

Der Einsatz von „Energie Fans gegen Nazis“ im Cottbuser Block und die vielen Äußerungen gegen die Böller im Babelsberger Block zeugen dabei davon, dass die Lage weit komplexer und zersplitterter ist als ein einfaches Rechts gegen Links. Ein Artikel im St-Pauli-Fanzine Übersteiger hinterfragte zuletzt kritisch, wie bequem einige Babelsberger die Cottbuser Fans als Nazis pauschalisieren. Und die Widerständler damit diskreditieren. Allzu moralisch überlegen sollte man sich nach Böllerwürfen auf friedliche Gegner sowieso nicht fühlen. Pyrotechnik grundsätzlich sorgt schon länger für Streit in Babelsberg. Unabhängig von der legitimen Forderung nach Pyro-Legalisierung bringen die ständigen Zündel-Strafen den eigenen, sowieso klammen Verein in Bedrängnis. „Woher sollen wir das Geld nehmen?“, klagte Trainer Čiva.

Das Ligaspiel von Babelsberg gegen Cottbus im vergangenen Jahr zog einen zehnmonatigen Gerichtsstreit nach sich. Auch diesmal wird es Strafen geben. „Ich frage mich, wie lange wir uns das noch gefallen lassen müssen“, so Verbandspräsident Kirschen: „Das müssen die beantworten, die in unserem Staat die entsprechenden Rechte besitzen, die sie leider nicht wahrnehmen.“ Über Fußball redete man wieder nicht so viel. Čiva resümierte: „Jetzt fängt die Scheiße wieder an.“ Bei Babelsberg wirkte man einigermaßen schockiert über das Verhalten aus den eigenen Reihen. Immerhin: Sollte Cottbus in der Relegation den Aufstieg in die dritte Liga schaffen, wird man einander erst mal nicht wiedersehen.

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