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Die gute Regulierungswut kommt von unten

Schweiz: Volksinitiative fordert schärfere Menschenrechts- und Umweltnormen für Konzerne

Bereits im Oktober 2016 hatten über 140.000 Eidgenossen die Initiative unterschrieben

Unter dem Druck einer von 77 Prozent der Bevölkerung unterstützten Initiative für striktere Menschenrechts- und Umweltbestimmungen für Schweizer Wirtschaftsunternehmen bemüht sich die bürgerlich-rechtskonservative Mehrheit in Parlament und Regierung in Bern um einen abgeschwächten Gegenvorschlag mit weniger weitreichenden Bestimmungen.

Ein am gestrigen Donnerstag in der zuständigen Kommission des Nationalrats diskutierter Entwurf geht Teilen der Wirtschaft allerdings immer noch zu weit. Im Herbst 2015 hatten über 60 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Gewerkschaften die Volksinitiative „Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt“, kurz „Konzernverantwortungsinitiative“ lanciert. Sie fordert einen neuen Verfassungsartikel, der Schweizer Konzerne im Inland sowie ihre Tochtergesellschaften oder andere von ihnen kontrollierte Unternehmen und wirtschaftlich abhängige Lieferanten zur verbindlichen Einhaltung internationaler Menschenrechtsnormen und Umweltstandards verpflichtet. Für Verstöße auch im Ausland sollen die Konzernführungen in der Schweiz haftbar werden und soll die Schweizer Justiz ermitteln und Strafen verhängen können, unabhängig von der lokalen Rechtslage in dem Land, in dem ein Verstoß stattgefunden hat.

Bereits im Oktober 2016 hatten statt der für die Durchführung eine Volksabstimmung erforderlichen 100.000 über 140.000 Eidgenossen die Initiative unterschrieben. Ende Oktober 2017 sprachen sich bei einer repräsentativen Umfrage 77 Prozent der Befragten für das Anliegen der Initiative aus, in der französischsprachigen Westschweiz sogar 92 Prozent.

Aus Sorge vor einem Sieg der Initiative bei der bislang für Herbst dieses Jahres angesetzten Volksabstimmung plädieren einige Konzerne sowie Politiker der wirtschaftsnahen Freidemokraten, der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei und der christlichen Volkspartei für einen Gegenvorschlag der Regierung. Auch mit dem Kalkül, dass die Volksinitiative dann zurückgezogen wird. Dafür gibt es bislang allerdings keine Anzeichen.

Denn in den bislang zirkulierenden Entwürfen für einen Gegenvorschlag wird das Anliegen der Initiative zwar „grundsätzlich“ begrüßt. Doch Haftungsregeln sowie die Zuständigkeit der Justiz auch für im Ausland erfolgte Verstöße werden abgelehnt. Zudem sollen neue Regeln nur gelten für Unternehmen mit über 250 Vollzeitstellen und mehr als 40 Millionen Franken Jahresumsatz. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse hält diese moderaten Vorschläge für überflüssig und sieht keinen Regelungsbedarf. Andreas Zumach

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