: Die Straße vor unserer Nase
Zufällig sitzt die Hamburger taz-Redaktion genau an der Stresemannstraße. Die Fenster zur Straße hin zu öffnen, ist eigentlich nur nachts zu empfehlen
Von Jan Kahlcke
Stresemannstraße“ – kann es sein, dass die Leute in den vergangenen Wochen die Augenbrauen noch ein bisschen weiter hochziehen, wenn die Adresse der taz in Hamburg zur Sprache kommt? Mehr noch als bisher schon, als man noch dachte, das Schlimmste am Verkehr seien der Ruß, der sichtbar aus den Auspuffrohren der LKW quillt, und dieser ewige Lärm?
Der verursacht ja Stress, wie man weiß. Und davon gibt es in Redaktionen ohnehin genug. Journalist ist ein ungesunder Beruf. Viele beißen frühzeitig ins Gras. Jedenfalls war das früher so, als man richtige Redakteure daran erkannte, dass sie einen Flachmann in der Schreibtischschublade liegen haben mussten. Und als man die Kollegen am Nachbarschreibtisch hinter den Rauchschwaden eher an ihrer kratzigen Telefonstimme als an ihren Umrissen erkannte.
Ist Stickoxid das neue Kondensat? Werden wir unsere Herz-Kreislauf-Erkrankungen am Ende dem farb- und geruchlosen Diesel-Abgas verdanken statt viel zu vielen Selbstgedrehten? Jedenfalls kann man sich in diesen Tagen schon mal fragen, ob diese Müdigkeit eigentlich von der Straße kommt und nicht vom atemlosen Deadline-Hinterherjagen.
Dabei machen wir die Fenster zur Straße ohnehin nur an ganz heißen Sommertagen mal auf. Und dann schnell wieder zu, weil das Brüllen der LKW-Motoren beim Anfahren am Berg das Telefonieren schwer macht. Selbst die schmalen Lüftungsschlitze überm Fenster halten die meisten Kollegen lieber geschlossen, weil sie den Lärm reinlassen.
Warum die taz überhaupt an so einer Straße sitzt? Nun, pflegen wir zu sagen, wenn wir mitleidig gefragt werden, es ist immerhin das fancy Schanzenviertel, mit allen Aromen, äh, Asiens in fußläufiger Entfernung. Und wir können der Lerchenwache ins Fenster kucken, unserer Lieblingspolizeiwache. Bürger beobachten die Polizei.
Bald wird ja ohnehin alles gut. Dann müssen LKW einen großen Bogen um uns machen. Nur ich habe Pech: Ich wohne an der offiziellen Ausweichstrecke.
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