: Razzien bei den Nordadlern
Weil die rechtsextreme Gruppe Nordadler Anschläge geplant haben soll, hat die Bundesanwaltschaft mehrere Wohnungen durchsuchen lassen. Festnahmen gab es nicht
Von Malene Gürgen
„Liebe Kameraden und Kameradinnen“, beginnt der letzte Beitrag auf der Facebook-Seite einer Gruppe mit dem Namen „Nordadler – Die Träger des Nordlichts“, der erst vor zwei Tagen veröffentlicht wurde. Stolz berichtet „Team Nordadler“ darin von der Gründung eines „Autarkie und Oppositionsprojekts Nord-Thüringen“, dessen Ziel es sei, eine „echte auf Völkischem Bewusstsein Basierende Gemeinschaft Germanischem Glaubens, Atamanen oder Nationalsozialisten“ (Rechtschreibfehler im Original) zu gründen – offenbar ein rechtsextremes Siedlungsprojekt. Die zugehörigen Fotos zeigen den „Letzten Freiwilligen Arbeitsdienst“, bei dem das Haus gesäubert und im Garten ein Gemüseacker angelegt worden sein soll.
Mit dem Projekt, so es denn wirklich existiert, dürfte jetzt erst mal Schluss sein: Die Bundesanwaltschaft hat am Dienstagmorgen die Wohnungen von vier mutmaßlichen Angehörigen der Gruppe „Nordadler“ in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen sowie einer weiteren Person in Thüringen durchsuchen lassen. Der Verdacht: Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung und damit ein Verstoß gegen den Paragrafen 129 a des Strafgesetzbuchs.
Ein dringender Tatverdacht habe sich bei den Durchsuchungen nicht ergeben, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft der taz, auch Festnahmen gab es keine. Es seien aber Gegenstände sichergestellt worden, die nun ausgewertet würden. Grundlage der Durchsuchungen war ein richterlicher Beschluss des Bundesgerichtshofs.
Die Verdächtigen seien durch ihre „nationalsozialistische Gesinnung“ geeint, spätestens Anfang 2017 sollen sie sich zu einer rechtsterroristischen Vereinigung mit dem Namen „Nordadler“ zusammengeschlossen haben. Diese habe „dem Nationalsozialismus in Deutschland zum Wiedererstarken“ verhelfen wollen, so die Bundesanwaltschaft. Zu diesem Ziel hätten die Beschuldigten versucht, „Waffen, Munition sowie Materialien zum Bau von Brand- und Sprengvorrichtungen zu beschaffen“. An den Durchsuchungen waren die Spezialeinsatzkommandos der betroffenen Länder beteiligt. Das Landeskriminalamt Niedersachsen übernimmt die weiteren Ermittlungen.
Dass es sich bei der fraglichen Gruppe um die gleiche handelt, die unter dem Namen Nordadler die Facebookseite sowie eine Website betreibt, bestätigt die Bundesanwaltschaft nicht. Es gibt dafür aber deutliche Anhaltspunkte: Im Impressum der Website ist eine Adresse in Kaltenburg-Lindau im Landkreis Northeim in Niedersachsen angegeben. Dort soll nach Informationen mehrerer Medien eine der Durchsuchungen stattgefunden haben.
Nach Informationen des Göttinger Tageblatts richtete sich diese gegen den 21-jährigen Wladislav S., der als Betreiber der Nordadler-Website angegeben ist. Er stand bereits vergangenes Jahr vor dem Braunschweiger Landgericht: als Mitangeklagter im Prozess gegen den Islamisten Sascha L. aus Northeim. L. war früher selbst Neonazi, bevor er zum Islam konvertierte. Er hatte vor Gericht gestanden, einen Sprengstoffanschlag auf Polizisten und Soldaten geplant zu haben und wurde deswegen zu gut drei Jahren Haft verurteilt.
Auf den bei Facebook veröffentlichten Fotos zu dem geplanten Siedlungsprojekt der Gruppe Nordadler gibt es Anhaltspunkte, dass sie in und um Bad Sachsa im südlichen Niedersachsen aufgenommen worden sind. In dem Text heißt es, man müsse sich „vorsichtig vor tasten“ und gezielt Immobilien erwerben, Schulungszentren aufbauen und „paramilitärische Übungen“ veranstalten. Als Vorbild wird der Reichsarbeitsdienst genannt. Bei Facebook ist als Sitz der Organisation die Stadt Finsterwalde in Südbrandenburg angegeben.
Der Öffentlichkeit aufgefallen war die Gruppe bislang nicht, auch Szenekennern ist sie weitgehend unbekannt. Auf ihrer Facebook-Seite ruft sie unter anderem dazu auf, die AfD zu wählen, und wirbt für die der Identitären Bewegung nahestehende Seite Reconquistanet.com. Auffallend sind außerdem Beiträge mit antisemitischem Inhalt. Antisemitismus soll das verbindende Moment zwischen dem Neonazi Wladislav S. und dem Islamisten Sascha L. gewesen sein, hieß es letztes Jahr im Prozess gegen L.
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