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Rechtsdrehend an der WaldorfschuleDas autoritäre Erbe

Die Rendsburger Waldorfschule hatte einen Geschäftsführer, der den Reichsbürgern nahe stand. Ein Einzelfall – oder strukturell bedingt?

Offensichtlich kompatibel: Rechtes Denken und Steiners Lehre, hier Eurhythmie-Figur Illustration: Rudolf Steiner

Rendsburg taz | Die Herren, die auf dem Pausenhof standen, waren auffallend kräftig, aber sehr freundlich. „Wir sind von der Polizei und machen hier ein Treffen“, hätten sie erklärt, so erinnert sich Arfst Wagner, damals Eurythmielehrer an der Waldorfschule Rendsburg. „Wir haben uns nett unterhalten.“ Aber die kräftigen Herren waren mutmaßlich Mitglieder des „Deutschen Polizei Hilfswerks“, einer rechtsextremen Gruppe. Dass sie in der Schule in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt einen Raum mieten konnten, war nur einer in einer Reihe seltsamer Vorfälle.

„Die Bundesrepublik Deutschland ist kein Staat, sondern geschäftsführender Justiziar einer Ländersimulation. Es gibt de jure und de facto keinen Staat Bundesrepublik Deutschland“ – so steht es in einem Flugblatt, das der damalige Geschäftsführer der Freien Schule am 26. April 2013 im Lehrerzimmer verteilte. Das zweiseitige Blatt, das der taz vorliegt, stammt von einer „Deutschen Pressestelle für Völker- und Menschenrechte“ und verkündet in der Titelzeile: „Wissen, was wirklich abgeht. Nichts ,Braunes’ – nur offenkundige Fakten“. Zu diesen „Fakten“ zählt: Es gibt keine legitime Regierung im Land, Finanzbehörden und Polizei arbeiten illegal. Typische Argumente der Reichsbürgerbewegung.

„Da muss man doch reagieren, da müssen die Alarmglocken läuten“, sagt Wagner. Aber nach seiner Erinnerung hätten mehrere Mitglieder des Kollegiums das Blatt schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Wagner und eine Gruppe weiterer Lehrkräfte und Eltern forschten nach. Der buchstäblich krönende Abschluss ihrer Suche: Sie entdeckten den Schulangestellten, der seit 2010 im Amt war, auf einem Youtube-Filmchen, in dem ein Reichsbürger zum „König“ gekrönt wurde.

Angst vor Hetze gegen „Verräter“

Wagner schlug Alarm, im September 2014 wurde der Geschäftsführer entlassen. Also alles gut? Nein sagt Wagner. Nein sagen auch andere, die gegenüber der taz zwar viel von „ihrer“ Schule erzählen, aber anonym bleiben wollen – aus „Angst“, es könne „Hetze gegen Verräter“ geben.

„Wir haben alles sauber aufgearbeitet“, sagt dagegen Thomas Felmy, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Waldorfschulen in Schleswig-Holstein. Die LAG und die Bundesvereinigung der Waldorfschulen wurden 2014 zu Hilfe geholt. Ein Interimsvorstand übernahm die Verantwortung im Trägerverein. Die Schule informierte die Eltern, ging an die Öffentlichkeit. Auch fachlich sei das Thema angegangen worden, sagt Felmy. Der Bundesverband stellte eine Broschüre mit Tipps rund um die Reichsbürgerbewegung zusammen, ein Arbeitskreis „Waldorf gegen Rechts“ entstand.

„Das Kollegium in Rendsburg hat sich einmütig gegen den Reichsbürger gestellt, als er enttarnt war“, sagt Otto Ohmsen, der 2015 als Schulleiter geholt wurde. „Mit so einem wollte niemand zusammenarbeiten, das war ganz klar.“

In Rendsburg, so erinnern es Lehrkräfte, sei unter dem Logo der Selbstverwaltung eine hierarchische Struktur entstanden

Auch Arfst Wagner sagt: „Die Schule ist nicht rechts.“ Wagner ist Mitglied der Grünen, war eine Zeit lang Landesvorsitzender und Bundestagsabgeordneter und hat seit der Enttarnung des Reichsbürgers in Texten und Interviews Stellung zu der möglichen Verbandelung von Anthroposophie und rechtem Gedankengut bezogen.

Nicht ganz abwegig, schließlich stehen in Steiners Texten einige eindeutig rassistische Zitate, etwa über das „starke Triebleben des Negers“, der „in seinem Inneren von der Sonne gekocht“ werde. Von diesen kruden Ideen sieht Wagner die heutige anthroposophische Bewegung weit entfernt. Auch in Rendsburg sei keine inhaltliche Nähe der handelnden Personen „zur Reichsbürgerei“ vorhanden, wohl aber zu „Reichsbürger-Strukturen“. Er benutzt einen Vergleich: „Wenn jemand Fieber und hohen Blutdruck hat, können diese Symptome auf verschiedene Krankheiten hinweisen.“

Auch Otto Ohmsen sagt, die Pro­b­leme hätten nichts mit dem Reichsbürger zu tun. Und auch er denkt bei der Rendsburger Schule an einen Kranken: „Eine Grippe ist da, Mumps kommt dazu. Der Mumps wird behandelt, die Grippe bleibt.“

Heißt: Die Schule war bereits dysfunktional. Und wie ein geschwächter Organismus anfällig für Keime ist, war sie damals anfällig für eine Person mit eigener Agenda. Liegt diese Schwäche im System oder trafen in Rendsburg mehrere Faktoren unglücklich zusammen?

Der Zusatz „frei“, den alle Waldorfschulen im Namen haben, steht für ein Weltbild. „Als Freie Schulen haben die Waldorfschulen die hierarchisch organisierte Außenlenkung der staatlichen Schulen durch eine freiheitliche Verfassung ersetzt“, heißt es auf der Homepage der Bundesvereinigung der Waldorfschulen. „Die Selbstverwaltung erfolgt durch Eltern und Lehrer und stellt ein zukunftsorientiertes soziales Erfahrungsfeld dar.“

Entscheidungen beim Pinkeln

In Rendsburg, so erinnern es Wagner und andere Lehrkräfte, sei aber unter dem Logo der Selbstverwaltung eine hie­rarchische Struktur entstanden, sogar noch bevor der als Reichsbürger enttarnte Geschäftsführer ins Amt kam. Fragen bis hin zu Personalangelegenheiten seien im kleinsten Kreis – „beim Pinkeln auf dem Klo“ – entschieden worden. Dagegen seien andere angegangen, sie wollten die Selbstverwaltung stärken.

Der neue Geschäftsführer habe anfangs einen guten Eindruck gemacht, „ein charmanter Mann“, heißt es über ihn. „Ein Macher.“ Aber einer, der keinen Wert darauf legte, andere einzubeziehen: „Bei einer Versammlung mit Eltern sagte er sinngemäß: Lasst mich mal machen“, erinnert sich jemand.

Tatsächlich, da sind sich alle Seiten einig, gab es viel zu tun. Die Schule, ein Backsteinbau mit abgerundeten Fensterrahmen liegt in einer ruhigen Nebenstraße. Sie gründete sich 1950 als bundesweit erste Waldorfschule mit Internat und habe damit einen hohen Stellenwert für die Waldorfbewegung, sagt ein Elternteil. Die Schule ist für 750 Kinder ausgelegt, auch einige Nachbarhäuser, die ehemaligen Internatsgebäude, sind im gleichen Stil errichtet, der für die anthroposophische Lehre Rudolfs Steiners typisch ist. Doch die Kinderzahlen sanken bei gleichbleibend großem Kollegium. Die Schule geriet in finanzielle Schieflage.

Der Geschäftsführer verkaufte die Nachbargebäude – ob zu billig, bleibt strittig. Eine weitere Entscheidung betraf das Café, das eine Pächterin auf dem Schulgelände betrieb. Sie erhielt die Kündigung. Grundlos, ungerechtfertigt, fanden Eltern und Kinder: „Das Café war das Herz der Schule.“ Die Bitte, eine Schulversammlung abzuhalten, lehnte der Vorstand des Trägervereins ab. Eltern sammelten Unterschriften, um eine Versammlung zu erzwingen. Am Ende zogen sie vor Gericht und gewannen: Die Versammlung fand statt, eine Mehrheit stimmte für den Erhalt des Cafés.

Dass Eltern gegen die eigene Schule klagen, das sei „schon abenteuerlich“, sagt Thomas Felmy von der LAG der Waldorfschulen. „Vorsichtig gesagt: Es herrscht eine gewisse Streitfähigkeit.“ Er bestätigt Ohmsens Eindruck: Die Wurzeln der Konflikte reichten tiefer, und sie wurden durch den Abgang des Geschäftsführers nicht gekappt.

Wagner, aber auch Eltern kritisieren, die Schule werde heute undemokratischer denn je geführt: „Personen, die eng mit dem Geschäftsführer zusammengearbeitet hatten, sind im Amt geblieben“, so ein Elternteil. Auch andere klagen, der Bund und die LAG hätten „den Kurs des Reichsbürgers nahtlos fortgeführt“.

Verdächtigungen werden laut: „Kurz nachdem der Geschäftsführer enttarnt war, wurde ein Aktenschredder angeschafft, ein Papiercontainer stand auf dem Schulhof“, erinnert sich Arfst Wagner. Kein ungewöhnlicher Akt für eine Schule – aber warum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt? Bis heute „gibt es keine Transparenz, alles wird geheim gehalten“, so ein Elternteil. Es entstehe der Eindruck einer „mittelalterlichen Ständestruktur“, bei der „Eltern nichts gelten, Schüler schon gar nichts“.

Kein Franchise-System

Schulleiter Otto Ohmsen dreht den Spieß um: „Die Rendsburger Schule hat es verschlafen, sich modern aufzustellen.“ Die alte Selbstverwaltungs-Idee in Reinform habe in den Schulen „zu einem Chaos geführt“ – durchaus sympathisch, aber gefährlich. Alle reden mit, keiner trägt Verantwortung, „das war eine Strukturschwäche vieler Waldorfschulen“, sagt Ohmsen. Bereits vor 20 Jahren seien die meisten Vereine umgestellt worden, auch mithilfe von Beratungsfirmen. Aber, so Felmy: „Waldorf ist kein Franchise-System. Jeder Verein entscheidet über seine Struktur allein.“

Heute ist die Schule insolvent. Ein neuer Trägerverein, gebildet aus den Personen des alten Vereins, oder ein Träger von außen könnten übernehmen, aber noch sind Fragen offen. So muss das Land zustimmen, trotz Trägerwechsels weitere Zuschüsse zu zahlen. Gestritten wird um einen Arbeitsrechtsfall. Außerdem geht es um Altschulden, unter anderem für die Pensionen der Lehrkräfte, die seit Jahren nicht komplett gezahlt wurden.

Auch hier lägen die Wurzeln länger zurück als in die Zeit des Reichsbürgers, sagt Felmy. Aber besser gemacht hat der „charmante Macher“ die Sache nicht: Laut dem Bericht einer Unternehmensberatung, der der taz vorliegt, habe ein Mitarbeiter der Rentenkasse den Geschäftsführer im Jahr 2013 auf das Problem hingewiesen und Sonderzahlungen vorgeschlagen. Doch „leider unterblieb das“.

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15 Kommentare

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  • @ Esther Geisslinger (Autorin des Artikels)

     

    Sie deuten es an, Zitat Geisslinger:

     

    "... stehen in Steiners Texten einige eindeutig rassistische Zitate, etwa über das „starke Triebleben des Negers“, der „in seinem Inneren von der Sonne gekocht“ werde."

     

    Es geht aber um weit mehr, als "einige eindeutig rassistische Zitate":

     

    Historiker wie Peter Staudenmaier und Helmut Zander stellen die Rassenlehre Rudolf Steiners als ZENTRAL für die Anthroposophie heraus. Steiners esoterische Evolutionslehre – die „Menschheitsentwickelung“ – ist Beweggrund und Ziel der Anthroposophie, Zitat Staudenmaier:

     

    „Ausgehend von Blavatskys [4] entwicklungstheoretischem Ansatz baute Steiner eine Evolutionslehre der Völker- und Rassengruppen auf, wonach die menschliche Seele durch aufeinanderfolgende Verkörperungen in immer ‘höheren’ Rassen geistig wie leiblich fortschreitet. Diese Stufenleiter der Rassen steht IM MITTELPUNKT von Steiners esoterischem Verständnis der Gesamtentwicklung der Menschheit, vom Verhaftetsein in der Materie hin zur geistigen Vervollkommnung.”[5]

     

    [4] Helena Petrovna Blavatsky (1831 – 1891), begründete die esoterische Weltanschauung „Theosophie“, deren rassistisches Konzept der „Wurzelrassen“ Rudolf Steiner übernahm und weiterentwickelte.

     

    [5] Peter Staudenmaier im Interview: „Anthroposophie und Faschismus“, „Humanistischer Pressedienst“, Nr. 13507, 07.06.2012, https://hpd.de/node/13507

    • @Andreas Lichte:

      ... Fortsetzung des Kommentars, oben:

       

      Zum Vergleich Helmut Zanders zusammenfassende Darstellung von Rudolf Steiners Rassenlehre, Zitat Zander:

       

      „Steiner ordnete die Rassen einer Fortschrittsgeschichte zu, in der beispielsweise heutige Indianer als ‘degenerierte Menschenrasse’ im ‘Hinsterben’ (GA 105,106.107 [1908]) oder schwarze Afrikaner als defiziente Spezies der Menschen- und Bewußtseinsentwicklung, als ‘degenerierte’, ‘zurückgebliebene’ Rasse (ebd., 106) erschienen. Umgekehrt habe die weiße Rasse ‘das Persönlichkeitsgefühl am stärksten ausgebildet’ (GA 107,288 [1909]). Dies sind nur Kernsätze einer Rassentheorie, die Steiner 1904 erstmals formulierte, um sie 1910 in einem komplexen System und in zunehmender Abgrenzung zu theosophischen Positionen auszufalten. Mit seinem Ausstieg aus der Theosophie hat er diese Vorstellungen keinesfalls über Bord geworfen, sondern sie 1923 nochmals in Vorträgen vor Arbeitern des Goetheanum in vergröberter, ‘popularisierter’ Form wiederholt, aber ohne Revision im inhaltlichen Bestand. Die weiße war nun ‘die zukünftige, die am Geiste schaffende Rasse’ (GA 349,67 [1923]).“[6]

       

      „Steiner formulierte mit seinem theosophischen Sozialdarwinismus eine Ethnologie, in der die Rede von ‘degenerierten’, ‘zurückgebliebenen’ oder ‘zukünftigen’ Rassen keine ‘Unfälle’, sondern das Ergebnis einer konsequent durchgedachten Evolutionslehre waren. Ich sehe im Gegensatz zu vielen Anthroposophen keine Möglichkeit, diese Konsequenz zu bestreiten.“[7]

       

      [6] Helmut Zander, „Anthroposophie in Deutschland – Theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884–1945“, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2007, Seite 631f

       

      [7] Ebd., Seite 636

      • @Andreas Lichte:

        “100 Jahre Waldorfschule: Rudolf Steiners ‘survival of the whitest’

        “Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse” ist ein Ausspruch Rudolf Steiners, der die vom Begründer der Waldorfschulen behauptete Überlegenheit der “Weißen” zusammenfaßt. Der Erziehungswissenschaftler Prof. Heiner Ullrich behauptet dagegen in der Wochenzeitung “Die Zeit”: “Rassentheorien spielen meiner Einschätzung nach aber in der heutigen Waldorf-Pädagogik keine Rolle.” Passt das zusammen? (…)“

        weiter beim „Humanistischen Pressedienst“: hpd.de/artikel/100...-the-whitest-16893

  • Probleme mit Rechten gab es nicht nur an der Rendsburger Waldorfschule, sondern zum Beispiel auch in der Waldorfschule Minden:

     

    "Ein 'rechter' Waldorflehrer soll gehen – Rudolf Steiner bleibt

     

    Nicht zum ersten Mal werden Waldorfschulen im Zusammenhang von "Rechtsextremismus" auffällig. Erinnert sei hier nur an den "NPD-Waldorflehrer" Andreas Molau. Nun gibt es einen neuen Fall. Und alles bleibt beim Alten.

     

    Wolf-Dieter Schröppe war zwanzig Jahre lang Lehrer an der Waldorfschule Minden. Nun belegt ein Gutachten der “Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Detmold”, dass der Waldorflehrer im rechten Umfeld aktiv war (...)"

     

    weiter: https://hpd.de/artikel/11915

  • Ich empfinde die Aufmachung als deutlich zu reißerisch für den darauf folgenden Inhalt. Das ist schlechter Stil.

     

    Also ich persönlich beantworte die Suggestivfrage im Titel nach Lektüre des Artikels mit: "wohl eher Nein."

    • @Sonntagssegler:

      „Wer heute Rudolf Steiner sät, wird Neurechte ernten“

       

      sagt Caroline Sommerfeld, Co-Autorin des Buches „Mit Linken leben“ im Interview über die Waldorfschule:

       

      „(…)

       

      Info-Direkt: „Die Waldorfschule orientiert sich an dem pädagogischen Konzept von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie. Lässt sich eine solche Anschauung überhaupt mit einem Engagement bei der Neuen Rechten vereinen?“

       

      Caroline Sommerfeld: „Absolut. In einem kritischen Blog las ich kürzlich den feinen Satz „Wer heute Rudolf Steiner sät, wird Neurechte ernten“. Der Blogger hatte beobachtet, dass sich offenbar im anthroposophischen Milieu immer wieder Stimmen regen, die seinem Suchbild „Hilfe, das ist rechts!“ entsprechen. Ich denke, es verhält sich so: Steiners Grundgedanken sind ziemlich deckungsgleich mit dem, was Identitäre „Ethnopluralismus“ nennen, mit dem, was die bewusste Verwurzelung in der Tradition, im Volk, in Europa ausmacht, mit christlichem Selbstverständnis und auch einem bewahrenden Naturverständnis. Außerdem natürlich ist Waldorfpädagogik, gerade, weil sie nicht „mit der Zeit geht“, sondern manchmal ziemlich anachronistisch ist, was Handwerk und Handarbeit, Lehrerautorität, Auswendiglernen, klassische Bildungsinhalte usw. betrifft, viel „rechter“, als sie selber momentan sein will.“

       

      (…)“

       

      Quelle: „Politische Diskriminierung an Waldorfschule – Nach politisch-motivierter Kündigung: Jetzt spricht Caroline Sommerfeld“, Info-Direkt, 2. November 2017

      • @Andreas Lichte:

        Und wer die Schriften Martin Luthers liest, wird zum frauenverachtenden Judenhasser. Man muss nur immer als wörtlich nehmen und keinen Deut von der Urschrift abweichen.

         

        Egal welche Ideologie ich bedienen möchte, ich kann mir immer aus den Schriften von beliebigen Denkern, die Elemente herausnehmen, die ich benötige. So hat Thomas von Aquin Aristoteles zu einer Autorität des Christentums gemacht und Wladimir Iljitsch Uljanow die Wirtschaftstheorie von Karl Marx zu einer Staats- und Regierungsideologie.

         

        Alle grossen Denker und innen waren Kinder ihrer Zeit. Was sie auszeichnet sind nicht die Punkte, in den sie mit ihren Zeitgenossen übereingestimmt haben, sondern die Punkte, in denen sie über die als Gewissenheiten geltenden Ansichten ihrer Zeitgenossen hinaus gedacht haben. Rudol Steiner hat der Pädagogik neue Impulse gegeben, aber er war kein Physiker und Max Plnck war ein genialer Physiker, aber kein Frauenrechtler.

        • @Adele Walter:

          Sorry - Sie machen es sich wahrlich zu einfach. Gelinde gesagt.

          Luthers Antisemitismus - steht eben nicht auf dem Lehrplan der staatlichen Lehrer.

          &

          Die einzigen - die klar sich von Steiner - den Sie auch bagetelliserend falsch als

          " naja Kind seiner Zeit" salvieren wollen (dann haben Sie sein grauenhaftes Brechreiz auslösendes Zeugs nicht gelesen - vermut ich!;)

          Distanzieren - sind m.W. die Hollandsche.

           

          All das von mir beispielshaft reichlich bekannten - dreistesten ArbR-Verstößen bzw solchen Ansinnen!

          &

          Zwar - Stadt Land Fluß - !

          &

          Daß die Anthropos - all dies ubiqitär eloquent abstreiten. So what!

          Das haben alle Ideologiker - Farbe egal

          Aber sowas von locker drauf.

          Meine Kids erster Runde sind mir noch heute dankbar - daß sie nicht beie Nönnekes in Westfälisch Sibirien gelandet sind.

          &

          Sowas reförmliches wie Montessori -

          "Die machen ihren Stiefel - nix Monte!"

          Vor Jahren eine Mitmusiker-Lersche!

          &

          Bei meinem Jüngsten? Auf dufte machende ziemlich insuffiziente Lehrer.

          usw usf

           

          Zum seit Anfang des 20. Jahrhundert

          abzuschaffenden auf Selektion getrimmten 3-Gliedrigen & eben dess vehement verhinderden Staatlichen - als Folie zu all dem Elend - doch ja!

          Ein andermal.

        • @Adele Walter:

          Auch Anthroposophen betrachten Rudolf Steiner als einen "Rechten".

           

          Ettore Martinoli war eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der italienischen Anthroposophie. Er sagt über Rudolf Steiner:

           

          „Rudolf Steiner war ein wahrhaft idealer Vorläufer des neuen Europa von Mussolini und Hitler. Ziel dieser Schrift war es, den Geist und die Figur dieses grossen, modernen, deutschen Mystikers für die Bewegung zu beanspruchen – eine Bewegung, die nicht nur politisch, sondern auch spirituell ist – eingeführt in die Welt von den zwei parallelen Revolutionen, der Faschistischen und der Nationalsozialistischen Revolution, denen Rudolf Steiner als echter Vorläufer und spiritueller Pionier in idealer Weise angehört.“

           

          Ettore Martinoli, „Un preannunziatore della nuova Europa: Rudolf Steiner“, in: „La Vita Italiana“, Juni 1943, Seite 566

           

          weitere Infos hier: "Hitler, Steiner, Mussolini – Anthroposophie und Faschismus, gestern und heute", https://www.ruhrbarone.de/hitler-steiner-mussolini-anthroposophie-und-faschismus-gestern-und-heute/39020

          • @Andreas Lichte:

            Es geht nicht darum, ob Rudolf Steiner ein 'Rechter' war oder nicht, sondern darum, ob man, wenn man die Steinersche Pädagogik anwendet mehr oder weniger zwangsläufig zum Rechten wird. Ich halte das Gesamtwerk Steiners aus heutiger Sicht für unwissenschaftliche Spinnerei mit ideologischen Zügen, dennoch finde ich die Umgangsformen und Unterrichtsmethoden an den Waldorfschulen, die kenne, vorbildlich. Wenn sie dann noch Unterrichtsfächer wie Physik und Mathematik als ebenso wichtig wie Theater und Eurythmie einstufen würden, wären das Schulen, auf die ich meine Kinder schicken würde.

            • @Adele Walter:

              ... ich lasse Prof. Dr. Stefan T. Hopmann, Bildungswissenschaftler an der Universität Wien, antworten:

               

              "(...) Der Irrglaube scheint zu sein, man könnte in deren Lehren ["Lehren" umstrittener Pädagogen wie Rudolf Steiner] zwischen Gutem und Schlechtem derart unterscheiden, dass man für letzteres nicht mithaftet. Tatsächlich sind der Rassismus, die Entwicklungslehre, die Geschichtsphilosophie und die übrigen Bausteine des Zeitgeists des späten 19. Jahrhunderts, die Rudolf Steiner zu einer eigenen Weltanschauung amalgamiert hat, so eng verbunden, dass man da nicht nur ein „bisschen“ Waldorf sein kann. Allerdings machen die Waldorfschulen das schon geschickt: Sie fallen nicht mit der Tür ins Haus, sie unterrichten nicht direkt aus Steiners Werken, sondern sie lassen ihre Weltanschauung eher still und heimlich in ihre Arbeit einfließen, in ihre Kinderwahrnehmung, in ihre Auswahl der Unterrichtsinhalte usw. Ähnlich wie auch bei anderen Sekten ist das ein schleichendes Gift, dessen Wirkung man oft erst merkt, wenn es fast zu spät ist."

               

              zum vollständigen Interview mit Prof. Hopmann: „Man kann nicht nur ein »bisschen« Waldorf sein“, https://www.ruhrbarone.de/waldorfschule-„man-kann-nicht-nur-ein-»bisschen«-waldorf-sein“/30117

              • @Andreas Lichte:

                Haben Sie auch eine eigene Meinung, die aus eigenen Erfahrungen resultiert?

                 

                Kennen Sie Autogenes Training? Es wurde von J. H. Schultz entwickelt und ist auch heute noch sehr beliebt. Dieser Schultz propagierte 1940 die „Vernichtung“ behinderter Menschen („Euthanasie“) und fällte durch seine Diagnosen „Todesurteile“ gegen Hysterikerinnen.

                 

                Er war im Rahmen seiner Tätigkeit am Göring-Institut direkt an der Verfolgung homosexueller Männer beteiligt und war der Meinung, es gebe erbliche und heilbare Homosexualität.

                 

                Und trotz alledem ist autogenes Training eine weit verbreitete und in Deutschland und Österreich gesetzlich anerkannte Psychotherapiemethode.

                • @Adele Walter:

                  ... ich bin ausgebildeter Waldorflehrer, deshalb habe ich das Interview mit Prof. Hopmann geführt (siehe oben).

                   

                  Meine Erfahrungen während der Ausbildung zum Waldorflehrer können Sie hier nachlesen – live erlebter Rassismus inklusive:

                   

                  "Waldorflehrer werden! – am ‘Seminar für Waldorfpädagogik Berlin’", https://www.ruhrbarone.de/waldorflehrer-werden-–-am-„seminar-fur-waldorfpadagogik-berlin“/

                  • @Andreas Lichte:

                    Danke für die Erläuterungen und den Link. Ich kenne viele Waldorfschüler resp. Schüler von Steinerschulen. Da es bei uns in der Gegend bis in die 80er keine Waldorfschule auf deutscher Seite gab, mussten die Architekten- und Zahnarztkinder sich immer frühmorgens über die Grenze in die Schweiz aufmachen. Ich konnte bei niemanden eine latenten Rassimus feststellen zumindest keinen, der über das in meiner Generation übliche hinausging. Das was mir bei diesen Menschen immer aufgefallen ist, war ihre Präsenz, ihre gute Ausdruckweise und ihre mangelnde Bildung im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich.

                     

                    Aber wie gesagt, das ist keine fundierte Analyse sondern lediglich persönliche Empirie.

                    • @Adele Walter:

                      ... Anthroposophen sind nett, solange Sie nett zu ihnen sind. Stellen Sie einmal die "richtigen" Fragen, und Sie erleben etwas ganz anderes ...

                       

                      Eine "fundierte Analyse" dürfte schwer fallen, weil Waldorfschulen eine "Geschlossene Gesellschaft" sind, Zitat Prof Hopmann:

                       

                      "(...) Die wenige sonstige empirische Forschung, die es zu Waldorfschulen gibt, stammt fast ausschließlich aus der Feder bekennender Waldorfianer oder ihnen nahestehender. Das liegt freilich daran, dass die Waldorfschulen eine wirklich unabhängige, ergebnisoffene Untersuchung ihrer pädagogischen Praxis nicht zu lassen (...)"

                       

                      zitiert aus dem Interview mit dem Bildungswissenschaftler Prof. Hopmann: https://www.ruhrbarone.de/waldorfschule-„man-kann-nicht-nur-ein-»bisschen«-waldorf-sein“/30117