das ding, das kommt
: Immer links hängen gelassen

In der Kunst spielt das Handtuch nur selten eine Rolle. Im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg hängt seit neuestem immerhin Werner Berges' „Das Handtuch“ Foto: Sven Adelaide/Landesmuseum Oldenburg

Erstaunlich, welch geringe Rolle es in der Kunstgeschichte spielt. Auf Altarbildern mag ein Handtuch mal für die Reinheit der Jungfrau Maria stehen, bei Carl Spitzweg als löchriger Lappen über einer Wäscheleine die Armut des armen Poeten illus­trieren. Und natürlich kommt niemand, der ausdrücklich „Kunst mit Alltagsgegenständen“ zu machen gedenkt, ernsthaft an ihm vorbei: Irgendwann wird er oder sie auch mal ein Frotteetuch in Bronze gießen oder neben Fahrradreifen an eine Ausstellungswand hängen.

Aber für eine ernst zu nehmende Themenausstellung müsste man schon enorm akribisch die Archive durchforsten, um mehr als ein Stockwerk vollzubekommen. Nicht mal der Hamburger Frottee-Upcycling-Experte An­dreas Linzner, der sich seit Jahren mit der Kulturgeschichte des Frottees beschäftigt, hat sie bislang bewerkstelligt, seine ebenfalls seit Jahren avisierte Ausstellung zum Thema.

Immerhin: In Karlsruhe hat die Staatliche Kunsthalle im vergangenen Herbst im Rahmen der Ausstellung „Cézanne. Metamorphosen“ ein Bild des französischen „Vaters der Moderne“ zum Ausgangspunkt gemacht für eine Auseinandersetzung mit dessen kühnem Hin- und Herspringen zwischen den Gattungen und seinen fließenden Übergängen zwischen Motiven: Die Stofffalten des Handtuchs, das da im Aquarell „Toilettentisch“ überm Stuhl hängt – sind das nicht schon die Täler eines Gebirges?

Ganz anders sieht es aus im Fall von Werner Berges Bild „Das Handtuch“ von 1969: Links hat der aus dem Oldenburger Land stammende, Ende 2017 verstorbene Pop-Art-Künstler mit breiten Streifen die Silhouette seines zentralen Motivs gemalt – eine Frau, diesmal mit Handtuch in der Hand; daneben hängen als knallig pinke und violette Farbflächen weitere, eben, Handtücher. Statt Motiv-Metamorphosen ein klares Flächen-Neben- und Übereinander, überwiegend in pastelltonigen Acrylfarben. Zu sehen war das Bild etwa im vergangen Frühjahr und Sommer in der Retrospektive „Werner Berges – Pop Art“ im Oldenburger Augusteum, nun gab das dortige Landesmuseum bekannt, „Das Handtuch“ angekauft zu haben: Ab sofort hängt es in der Galerie Neue Meister im Prinzenpalais und ergänzt dort die Abteilung mit Kunst nach 1945.

Ansonsten aber fristet das Handtuch in der bildenden Kunst ein Mauerblümchendasein – „Handtuchkunst“ findet man nicht in Kunsthallen, sondern auf Kreuzfahrtschiffen: in Form von per Handtuch-Origami gefalteten Frottee-Schwänen. Ähnlich mies beleumundet scheint es im Sprichwörtlichen, wo es meist nass ist, oder gerade geworfen worden ist, also fürs Scheitern steht oder anderes Jämmerliches.

Kultureller Ehrenretter des so abschätzig links hängen gelassenen Tuchs war ein Literat: Douglas Adams (1952–2001) erklärte das Handtuch in seiner Sci-Fi-Satire „Per Anhalter durch die Galaxis“ kurzerhand zum wichtigsten Utensil des intergalaktisch Reisenden, wegen seines unschätzbaren praktischen, vor allem aber seines „immensen psychologischen Werts“: Wer trotz des harten und gefährlichen Daseins als Weltraum-Hitchhiker immer weiß, wo sein Handtuch ist, der gilt anderen als ein Mensch, auf den man sich verlassen kann.

Sogar einen Feiertag hat das Handtuch dann nach Adams’Tod bekommen: Am 25. Mai ist wieder „Towel Day“. Und irgendwann wird an einem dieser Tage ganz sicher auch die erste Ausstellung zum Handtuch in der bildenden Kunst eröffnen. Kann man sich drauf verlassen. (matt)