Forschungsprojekt selbstfahrende Autos: Lieber ohne Turbo-Boost
Ein Forschungsteam der Uni Bremen hat ein selbstfahrendes Auto entwickelt. Kurz vor der Präsentation sorgten in den USA tödliche Unfälle autonomer Fahrzeuge für Schlagzeilen.
Derzeit prüfen Ermittler, ob der Autopilot zum Unfallzeitpunkt aktiv war, die Firma äußerte sich dazu nicht. Die Tesla-Aktie brach innerhalb von Stunden um acht Prozent ein. Es war der zweite Tote bei Unfällen mit autonomen Autos binnen einer Woche. Vorvergangenen Sonntag hatte ein selbstfahrendes Fahrzeug des Taxi-Unternehmens Uber eine Frau überfahren. Von dem Unfall hatte die Polizei Video-Material veröffentlicht.
„Das Fahrzeug ist ohne Bremsmanöver in die Frau gefahren – das darf nicht passieren“, sagt Christof Büskens vom Zentrum für Technomathematik der Uni Bremen über den Uber-Unfall, „das ist nicht nur technisches Versagen. Da hat auch die Software versagt und der Mensch, der sie programmiert hat.“
Büskens hält den Weg von Tesla und Uber für falsch. Zu einer Serienreife auch der in Bremen entwickelten Technologie fehle noch sehr viel Grundlagenforschung. Genau dafür sei das Team des „AO-Car“ (Autonom Optimal) unter Führung von Büskens in Bremen angetreten.
Gefördert hat das zehnmonatige Forschungsprojekt das deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Büskens sagt: „Schuld an solchen Unfällen sind Tesla und Uber, die ihre Strategie des ‚Wachstum über alles‘ in den neuen Markt integrieren wollen.“
Christof Büskens, Uni Bremen
Anders als die großen amerikanischen Aktienunternehmen und Bundesstaaten mit lascher Zulassungspraxis, erprobt man das autonome Fahren in Bremen ein paar Nummern kleiner.
Zumindest aber die Technologie greift zu den Sternen: Das Bremer AO-Car benutzt Software, die bei autonomer Navigation im Weltraum für Satelliten oder Mars-Robotern zum Einsatz kam, und auf die Erde übertragen wurde. „Hier ist das autonome Fahren allerdings viel komplizierter als auf Mars oder Mond – wegen der vielen Hindernisse“, sagt Büskens. Vom „fahrdynamischen Grenzbereich“ mit „Turbo-Boost“, wie er seit 1982 mit Knight Rider und David Hasselhoff science-fictionalisiert wurde, sei man jedenfalls noch weit weg.
Der eher unspektakulär aussehende, selbstfahrende Kombi der Uni Bremen fährt dann auch nur für gut anderthalb Stunden mit acht Stundenkilometern im Kreis um einen gesperrten Parkplatz. Es hat ein bisschen was von Idiotenhügel im Ski-Gebiet. Trotz der Schritt-Geschwindigkeit sitzt noch ein Forscher hinter dem Lenkrad, um notfalls einzugreifen.
Es klappt fast alles problemlos: Von allein weicht das Auto festen und beweglichen Hindernissen aus, Notbremsungen bei plötzlich auf die Fahrbahn tretenden Hindernissen funktionieren, auch Slalom fahren und Blinken. Und natürlich: die „autonome Exploration eines Parkplatzes“ – oder wie normale Menschen sagen: Einparken.
Manches geht auch noch schief
Ein paar Dinge gehen auch schief. Als das Auto anhalten soll, dreht es noch zwei Extra-Runden. Ein paar Minuten später hängt das System kurz und startet mehrmals neu. Die Sprachausgabe des Autos, das zur Vorführung über eine Box auf den Parkplatz schallt, wiederholt in loser Reihenfolge mit Computerstimme: „autonomer Modus ausgeschaltet“, „autonomer Modus eingeschaltet“ und „Blinker-Schnittstelle eingeschaltet“. Doch die Software fängt sich wieder und auch die Mitfahrt verläuft geschmeidig.
Tatsächlich war das autonome Auto auch schon „zum langsamen Kennenlernen“ auf öffentlichen Straßen in Bremen und Niedersachsen unterwegs. Senator für Umwelt, Bau und Verkehr Joachim Lohse (Grüne) hatte den ForscherInnen eine Ausnahmegenehmigung mit Auflagen erteilt – man durfte nicht über 20 Stundenkilometer schnell fahren und testete in wenig befahrenen Seitenstraßen. Sobald Gegenverkehr in Sicht kam, brach man das automatische Fahren sofort ab. Einen Unfall hatte das AO-Car noch nicht.
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