KURZKRITIK: BENNO SCHIRRMEISTER ÜBER WELTJURISTENTANZ: Das Richter-Tribunal
Meinungstheater – kannte man so noch nicht. Knut Klaßen und Monika Gintersdorfer haben das erfunden: Auf der Bühne des Kleinen Hauses treten sieben Männer und eine Frau auf, die sagen, was sie so vom Internationalen Strafgerichtshof halten, nach dem der Abend benannt ist. Und dazwischen bewegen sie sich.
Anfangs sind die Wortbeiträge noch witzig, gerade weil stark auf die neokolonialistische Anmutung der Institution abgestellt und diese mitunter grandios lächerlich gemacht wird. So ist das Solo von Gotta Depri, der vom Besuch des Ensembles in Den Haag berichtet – und seinem inneren Widerwillen, sich das anzutun, ein tragikomisches Dramolett und für sich einen Abend wert. Und es stimmt ja: Dass von den neun Angeklagten neun Schwarzafrikaner sind, spricht nicht für Gerechtigkeit. Auch vermag die Verkörperung der Gewalt in virtuosem Ausdruckstanz die scharfe Abwertung der supranationalen Institution mindestens so weit zu brechen, dass der Abend nicht nur als reine Tribunalisierung des Hohen Gerichts daherkommt.
Doch auch dieser Kontrast nutzt sich ab, die Wortbeiträge werden immer länger, ohne dass sich die Zahl der Meinungen und Einsichten erhöhen würde. Zutiefst nervend dabei die Unvollkommenheitsmasche des Ensembles, also dass die französischen Vorträge etwa der ivorischen Tänzer scheinspontan mit Stocken und Fehlern von anderen Ensemblemitgliedern übersetzt werden. Oder dass auf Synchronie abgestellte Gruppenchoreografien die Gleichzeitigkeit der Bewegung grob verfehlen, zumal im minimalistischen Eingangs- und Endbild: Vorschwingen des Kollektivs auf die Zehen, Zurückschwingen, vor, zurück, wieder vor. Handflächen nach außen kehren, nach innen wenden, außen, innen, außen innen, stets so beinahe gleichzeitig, ach wozu?
Schulterzucken.
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