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Der Mittelpunkt des Universums

Schakale im Nahen Osten und das Leben im Kibbuz: Amos Oz’frühe Erzählungen gibt es auf Deutsch

Amos Oz: „Wo die Schakale heulen“. Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler. Suhrkamp, Berlin 2018, 319 Seiten, 22 Euro

Von Tobias Schwartz

In seiner autobiografischen „Geschichte von Liebe und Finsternis“ (die deutsche Übersetzung erschien 2004) kommt Amos Oz irgendwann auf den Amerikaner Sherwood Anderson zu sprechen. Der habe ihm einst die schreibende Hand gelöst, und zwar mit dem Erzählband „Winesburg, Ohio“, der heute zu den Klassikern der literarischen Moderne zählt. Vor der Lektüre – Ende der 50er Jahre – befand sich Oz in einem Teufelskreis gefangen, bekennt er. Der ambitionierte Jungautor lebte damals im Kibbuz mitten in der israelischen Wüste, weit ab vom mondän-urbanen Leben und auch in einiger Entfernung zu Jerusalem und Tel Aviv. Es zog ihn nach Paris, London oder New York und er glaubte, um dorthin zu kommen, müsste er erst einmal berühmt sein, das heißt, ein erfolgreiches Buch schreiben. Um es aber zu schreiben, müsste er wiederum erst in einer dieser Metropolen gelebt haben.

Andersons Erzählungen, die vom Alltag in der amerikanischen Provinz handeln, von kleinen Leuten und ihren Träumen, belehrten ihn eines Besseren. Oder, mit Oz’Worten: „Dank seiner begriff ich auf einmal, dass die geschriebene Welt nicht von Mailand und London abhängig ist, sondern immer um die schreibende Hand am Ort ihres Schreibens kreist: Hier bist du – hier ist der Mittelpunkt des Universums.“

Die Erzählungen, die in Amos Oz’erster Buchpublikation aus dem Jahr 1965 versammelt sind, entstanden unmittelbar nach dem Erweckungserlebnis durch Anderson. Sie erscheinen jetzt, mehr als 50 Jahre später, unter dem Titel „Wo die Schakale heulen“ erstmals auf Deutsch – in der sehr gelungenen Übersetzung Mirjam Presslers, die für ihre Übertragung von Oz’Roman „Judas“ 2015 den Preis der Leipziger Buchmesse und den Internationalen Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt erhielt und auch den nun ebenfalls erscheinenden Oz-Essayband „Liebe Fanatiker“ übersetzt hat, der drei historisch-anthropologisch versierte Plädoyers gegen Fanatismus und für die Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt enthält.

In fast jeder der frühen Erzählungen heulen tatsächlich Schakale, leitmotivisch gewissermaßen, und sie heulen nicht nur, wenn einer von ihnen in eine Falle getappt ist. Die Symbolik liegt auf der Hand, die Klage über die scheinbar ausweglose Situation in Nahost schwingt nicht nur zwischen den Zeilen immer mit. Der Alltag im Kibbuz, den Oz sehr plastisch beschreibt, ist ohne ein Bewusstsein ständiger Bedrohung nicht denkbar. Aber die kann auch die Form erotischer Spannung annehmen wie in „Beduinen und Kreuzottern“, wo die Israelin Ge’ula auf einen jungen Beduinen trifft, während gerade Stimmung gegen „Araber als Diebe“ gemacht wird. Die Erotik und das Verbotene reichen sich mehrfach die Hand, auch in der Geschichte der jungen Galila (in „Land der Schakale“), die mit dem älteren Matitjahu Sex hat, ihrem mutmaßlichen Vater. Militärische Einsätze kommen ebenso zur Sprache wie filigrane Liebesgeschichten und biblische Legenden. Viele Themen und Motive, die in diesen acht Erzählungen angelegt sind, tauchen in Oz’späteren Werken wieder auf. Man hat es hier also mit einer Art schriftstellerischem Ursprung zu tun.

Beeindruckend ist die Sprachkraft dieser Prosa. Auch sie mag von der Lektüre Sherwood Andersons herrühren, der schließlich schon ein Vorbild für Ernest Hemingway war.

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